Frauen reisen in den Orient – Teil 8: Interview mit Stefanie von A World Kaleidoscope

Für das letzte Interview meiner Reihe hat mir Steffi von A World Kaleidoscope einige Fragen beantwortet.
Sie reist als Backpackerin durch die Welt und interessiert sich dabei gerade für die nicht ganz so typischen Backpacker-Länder: 2014 reiste sie auf dem Landweg von München über die Türkei bis in den Iran. Zuvor reiste sie schon durch Marokko und 2015 war sie in Zentralasien unterwegs.

Ihre Erfahrungen, die sie als Solo-Backpackerin mit Land und Leuten macht, teilt sie auf ihrem Blog und gibt dabei nicht nur Tipps für andere Backpacker(innen), sondern setzt sich immer wieder auch mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten der bereisten Länder auseinander.

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Erzähle erst einmal von deinen Reisen in den Orient

Meine erste Orient-Reise führte mich 2012 für drei Wochen nach Marokko. Ich reiste mit dem Bus quer durch das Land, von Marrakesch über das Anti-Atlas-Gebirge und die Wüste bis hoch nach Tanger.

Zwei Jahre später machte ich meine große Überlandreise in den Iran. In der Türkei wollte ich auf dem Weg eigentlich nur wenige Stopps einlegen, aber das Land gefiel mir so gut, dass ich letztendlich 7 Wochen dort verbrachte. So konnte ich einige ungewöhnliche Ecken erkunden, wie die Schwarzmeerküste und die kurdisch-arabischen Gebiete in Ostanatolien.

Von dort überquerte ich die (Grenze zum Iranund bereiste das Land komplett von Nord nach Süd, vom Kaspischen Meer bis zum Persischen Golf. Insgesamt blieb ich 5 Wochen.

2015 verbrachte ich dann einen Monat in Zentralasien, also in Usbekistan, Kasachstan und Kirgisistan – sofern man diese Länder noch zum Orient zählen möchte.

Ich war auf all meinen Orient-Reisen alleine mit dem Rucksack unterwegs und reiste mit öffentlichen Verkehrsmitteln, gelegentlich auch per Anhalter.

Wie kamst Du auf die Idee einer Reise in den Orient und was ließ dich zurückkehren?

Zunächst reizten mich die typischen Klischees aus tausendundeiner Nacht: die verschnörkselte Architektur, Kamele und Wüsten, die labyrinthartigen Souks, die hypnotisierenden Gebetsrufe – eben all die romantischen Bilder, die man als Westler mit dem Orient verbindet. Außerdem habe ich ein Faible für orientalische Sprachen: ich habe an der Uni Kurse in Arabisch und Türkisch belegt und mir im Selbstudium etwas Persisch beigebracht.

Was mich wieder zurückkehren ließ war vor allem die eindrückliche Erfahrung der orientalischen Gastfreundschaft. Momentan plane ich, längere Zeit in Marokko oder Ägypten zu verbringen und eventuell für das Persische Neujahrsfest wieder in den Iran zu reisen.

Wie erging es Dir als Frau auf deinen Reisen? Welchen Eindruck hattest Du allgemein von der Situation der Frauen?

Die Leute sind immer ziemlich erstaunt, wenn ich ihnen erzähle, dass ich Länder wie Iran, Türkei oder Marokko als Alleinreisende viel angenehmer fand als beispielsweise Kuba oder Kolumbien, wo Machismus völlig offen gelebt wird und gesellschaftlich akzeptiert ist. Im Orient wird man als Reisende gerade durch die Geschlechtertrennung und den Konservatismus geschützt, da es eigentlich für Männer tabu ist, fremde Frauen überhaupt anzusprechen.

Problematisch wird es, wenn man als alleinreisende Westlerin aus irgendeinem Grund – sei es wegen den Medien oder missverständlichem Verhalten – als sexuell freizügig betrachtet wird und ein Mann deswegen meint, er könne mich obszön anreden oder gar begrapschen. Diese Situationen waren auf meinen Reisen allerdings die absolute Ausnahme! In der Regel waren die Menschen extrem höflich und zuvorkommend, und haben mich als Alleinreisende oft beschützend unter ihre Fittiche genommen.

Natürlich lernte ich gerade in Ländern wie Iran zu schätzen, welche Freiheiten ich als Europäerin genießen darf. Dass mir mit einem deutschen Pass alle Türen dieser Welt offen stehen, dass ich in der Öffentlichkeit keiner Zwangsverschleierung unterliege und dass ich nicht meine Eltern oder meinen Mann um Erlaubnis bitten muss, zu verreisen.

Diese systematische Diskriminierung heißt aber mitnichten, dass Frauen in diesen Ländern generell hilfsbedürftige, schwache, unterdrückte Menschen zweiter Klasse sind. Ich durfte auf meinen Reisen viele starke Frauen kennenlernen, die den widrigen Umständen trotzen, aus den konservativen Strukturen ausbrechen und ihr Leben so selbstbestimmt wie möglich gestalten. Diese Frauen brauchen nicht unser Mitleid, sondern Anerkennung für ihre Leistungen und ihren Mut.

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Hattest Du vor dem Aufbruch Vorurteile? Wurden diese eher bestätigt oder widerlegt?

Bei dieser Frage muss ich sofort an mein allererstes Couchsurfing-Erlebnis in Marokko denken. Vor meinem Flug nach Marrakesch hatte ich über die Webseite die Einladung eines jungen Mannes bekommen, dass ich zwei Tage im Haus seiner Familie verbringen kann. Da es meine erste Orient-Reise war, hatte ich riesige Bedenken, ob ich einem marokkanischen Mann trauen kann – vielleicht wohnt er ja doch alleine und hegt irgendwelche Hintergedanken? Ich haderte bis zum letzten Moment und saß sogar schon in der Rezeption eines Hostels in Marrakesch, als ich mich doch noch entschloss, Mut zu fassen und das Angebot anzunehmen.

Was ich in diesen zwei Tagen erleben durfte, prägt mich bis heute. Mounir und seine Familie zeigten mir die volle Breitseite der orientalischen Gastfreundschaft, begrüßten mich wie eine lang verschollene Tochter und ließen mich ganz selbstverständlich an den Familienmahlzeiten teilnehmen. Als mir die Mutter dann zum Abschied eine Tüte mit Joghurt und Obst für meine bevorstehende dreistündige Busfahrt in die Hand drückte, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich lag der ganzen Familie weinend im Arm, da ich einfach nicht fassen konnte, dass fremde Menschen so unglaublich fürsorglich und großzügig mit mir sind. Vor allem schämte ich mich aber fürchterlich für die dummen Vorurteile, die ich im Vorhinein gehegt hatte.

Auch das Couchsurfing im Iran war ein absolut augenöffnendes Erlebnis, denn ich könnte mir kein Land der Welt vorstellen, in dem sich das Leben hinter verschlossen Türen so stark vom öffentlichen Leben unterscheidet, und in dem die Wertvorstellungen innerhalb der Gesellschaft so gegensätzlich sind.

Hast Du Tipps für andere weibliche Orientreisende?

So pauschal ist diese Frage für so eine riesige Region schwer zu beantworten, da in den Ländern des Orients unterschiedliche gesellschaftliche, kulturelle und rechtliche Rahmenbedingungen herrschen. Angemessene Kleidung und Zurückhaltung im Umgang mit fremden Männern sind aber wohl in der ganzen Region angebracht.

Zum Einstieg kann ich jeder Frau Marokko empfehlen, denn das Land erfüllt so ziemlich alle Orient-Klischees und ist dank des florierenden Tourismus sehr leicht zu bereisen. Spezielle Tipps findest Du in meinem Erfahrungsbericht „Alleine Reisen als Frau in Marokko„.

Auch im Iran machen die meisten Touristinnen sehr gute Erfahrungen. Um die dort vorgeschriebene islamische Kleiderordnung kommt man dort allerdings auch als westliche Frau nicht herum.

Lesetipps: Artikel über den Orient auf Steffis Blog „A World Kaleidoscope“:


Alle Artikel der Reihe:

Teil 1: Wenn Frauen ohne Männer reisen
Teil 2: Interview mit Katharina von Diverettes
Teil 3: Interview mit Weltenbummlerin Ivana
Teil 4: Ein Semester in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ein Gastbeitrag von Alexandra von Itinera Magica
Teil 5: Interview mit Sabrina von Felibrina
Teil 6: Als Frau mit dem Auto durch den Orient. Ein Gastbeitrag von Tina von Der Taucherblog
Teil 7: Interview mit Esther von In 80 Tagen um die Welt
Teil 8: Interview mit Stefanie von A World Kaleidoscope

7 Gedanken zu “Frauen reisen in den Orient – Teil 8: Interview mit Stefanie von A World Kaleidoscope

  1. Tolle Interview-Reihe 🙂 Steffis Blog lese ich schon lange und habe dort auch viele wertvolle Infos für meine Iran-Reise im April gefunden. Darauf freue ich mich schon riesig, Marokko war bisher mein einziges Orient-Erlebnis!

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