London – Dezember 2014

Ein mehrtägiger vorweihnachtlicher Einkaufsbummel

Zugegeben: Dieser Ausflug war nicht als klassischer Sight-Seeing- und Kultur-Urlaub gedacht. Ich wollte von Anfang an bummeln gehen, mich treiben lassen, hier etwas entdecken und dort etwas finden, in ein Pub gehen, einen Kaffee trinken, ein Theater besuchen und einfach die Atmosphäre in mich aufnehmen – und dabei natürlich auch noch etwas Nettes kaufen.

Tower Bridge

Tower Bridge

Und genau das habe ich mit einer Freundin drei Tage lang getan. Dabei kam das Sight-Seeing allerdings nicht zu kurz, so dass wir Big Ben und die Houses of Parliament, Westminster Abbey, St. Paul’s, den Tower und den Buckingham Palace besichtigt haben. Doch der Fokus lag eindeutig nicht darauf, sondern eher auf dem Erleben verschiedener Viertel und dem Sich-treiben-lassen in den Straßen, auf den Märkten und kleinen Geschäften mit Außergewöhnlichem und Nichtalltäglichem.

Und so durchstreiften wir London Borough of Tower Hamlets und den Old Spitalfields Market, Covent Garden, Camden Town, das West End, Southwark und natürlich die City of London.

Street Art nahe der Brick Lane

Street Art nahe der Brick Lane

Die Gegend um den Old Spitalfields Market war die erste, die wir erkundeten, auch deshalb weil wir gelesen hatten, dass es dort vieleVintage- und Secondhand-Läden gibt. Also stürzten wir uns gleich ins Getümmel und genossen das Treiben dort. London Borough of Tower Hamlets erinnerte mich ein kleines bisschen an meine alte Wahlheimat Wien-Favoriten, was mich nicht wunderte, als ich las, dass der Bezirk als klassischer Arbeiterbezirk gilt, einen hohen Migrantenanteil hat und den höchsten Anteil an Muslimen in ganz Großbritannien. Ich könnte auch sagen: Ich fühlte mich gleich etwas heimisch. Auch wenn es allgemein einen etwas schäbigen Eindruck gemacht hat (v.a. im Vergleich zu Covent Garden und Co), mochte ich die Multikulturalität dort, sowie die Street Art, über deren Erschaffer uns ein freundliches britisches Paar gleich mehr erzählte.

Brick Lane mit vielen indischen, pakistanischen und bangladeschischen Restaurants

Brick Lane mit vielen indischen, pakistanischen und bangladeschischen Restaurants

Unser beider Lieblingsbezirk in London war aber eindeutig Covent Garden, wo man alles und nichts erstehen, hervorragenden und urkomischen Straßenmusikanten zuhören konnte und von Eindrücken einfach nur überschüttet wurde. Während am Old Spitalfields Market früher Fleisch, Geflügel und Rüben verkauft wurden, fand man im Covent Garden eine umfunktionierte Markthalle, in der früher Gemüse verkauft worden war und in der man heute wirklich alles finden konnte: Von der East India Company, Moomin-Shops über Restaurants und Cafés bis hin zu allerhand Tinnef und Tand, den jeder gerne hätte, aber niemand wirklich braucht.

Covent Garden

Covent Garden

Southwark durchstreiften wir ganz automatisch, da wir dort wohnten – und dort wurde uns auch das tolle Pub „The Pommeler’s Rest“ empfohlen, wo man nicht nur gut frühstücken und zu Abend essen konnte, sondern obendrein auch noch einen Platz bekam, da es recht groß war. Und einen Platz in einem Pub zu bekommen, um dort zu essen, stellte sich als wirkliche Schwierigkeit heraus.

Das uns groß angepriesene Camden Town hinterließ bei uns keinen so tiefen Eindruck – was aber wohl einfach daran lag, dass es der letzte Bezirk war, den wir durchstreiften: Schon müde, übersättigt mit Eindrücken und obendrein am Samstag Nachmittag, wo natürlich noch mehr los war, als während der übrigen Tage.

Londoner Kulturschocks

Eindeutig Kulturschock Nummer 1: Der Theaterbesuch am West End.

Für mich war ein Theaterbesuch immer etwas Besonderes. Ich zog mir etwas Schickes an, machte mich zurecht, schnappte mein kleines Handtäschchen und stolzierte in den Theatersaal, wo ich aufgeregt dem Beginn der Vorstellung entgegenfieberte. Das änderte sich auch nicht, als ich in Wien lebte und Theaterbesuche eine einigermaßen regelmäßige Abendbeschäftigung wurden, die nicht mehr denselben Aufwand erforderten wie zuvor.

Für die Londoner schien ein Theaterbesuch so beiläufig zu geschehen, wie für uns ein Kinobesuch. Und sie benahmen sich auch ähnlich. Zuerst wunderte ich mich nur, warum die Leute ihre Jacken und Mäntel mit in den Saal nahmen und unter die Sitze stopften. Dann kamen die ersten – wohl direkt vom Einkaufsbummel – mit ihren riesigen Plastiktüten und letztendlich kamen sie mit Chips und Cola und Eiscreme. Wir erwarteten fast eine Eispause nach der Overtüre – abe die blieb uns dann doch zum Glück erspart. Geknurpse und Geraschel und Gemurmel begleitete uns jedoch die ganze Vorstellung über und ich versuchte mir vorzustellen, was man in der Wiener Staatsoper dazu gesagt hätte, wenn man mit Chips und Getränken im Publikum gesessen und hinterher v.a. einen wahren Saustall unter den Sitzen hinterlassen hätte… Nun ja, andere Länder, andere Sitten. Das gilt offenbar auch für das Theater.

Kulturschock Nummer 2: Die Ausgeh-Gewohnheiten der Briten

Der Versuch, am Donnerstagabend „einfach ins Pub gegenüber zu gehen, um etwas zu essen“ scheiterte kläglich – sowie bei allen anderen Pubs der Gegend. Sie waren heillos überfüllt und damit meine ich nicht das deutsche Verständnis von „überfüllt“ im Sinne von: Alle Tische waren besetzt, sondern: Man kam nicht einmal mehr zur Tür hinein. Darin zu essen war also gänzlich unmöglich. Nach vielen freundlichen Hinweisen seitens der Briten landeten wir schließlich in einem indischen Restaurant in der Tower Bridge Road, wo uns der Besitzer gleich fröhlich erklärte, dass ein Verwandter in Frankfurt am Main lebte.

Full English Breakfast

Full English Breakfast

Abgesehen davon, dass unter der Woche die Pubs überfüllt waren, waren manche Lokale am Wochenende gleich gar nicht geöffnet. Und als wir am frühen Samstagabend Essen gingen, waren wir für die Briten offensichtlich zu früh dran, denn das Pub war noch so gut wie leer.

Kulturschock Nummer 3: Die Höflichkeit der Einheimischen

Natürlich war das nicht im eigentlichen Sinne ein Schock und obendrein hat man ja schon im Englischunterricht immer gehört, wie überaus höflich die Briten seien. Aber es selbst zu erleben, war doch noch etwas ganz anderes und nach kürzester Zeit war „I’m so sorry“, „Excuse me, Sir“ und „That’s very kind of you“ bei jeder sich bietenden Gelegenheit fester Bestandteil unseres englischen Wortschatzes. Normalerweise sagt man, in Großstädten seien Menschen nicht so freundlich, sie wären hektischer und gestresster und hätten weniger Zeit – gerade für Touristen. Zu uns waren sie alle in höchstem Maße freundlich und nahmen sich ein paar Minuten, um uns Tipps zu geben oder (auch ungefragt) weiterzuhelfen.

Päddington Bär vor dem Big Ben

Paddington Bear vor dem Big Ben

 

Fazit:
Eine fantastische, pulsierende und wirklich faszinierende Stadt. Ich frage mich, warum ich 30 werden musste, um sie zu entdecken!

0 Gedanken zu “London – Dezember 2014

  1. Schöner Reisebericht zu einer meiner absoluten Lieblingsstädte. Ich glaube London lässt sich wohl niemals komplett erfassen, umso wichtiger möglichst viel aufzusaugen! 🙂

    Die Freundlichkeit beeindruckt mich auch immer wieder, vielleicht fühle ich mich auch deshalb so wohl dort.

    Covent Garden ist wirklich ein ein Pflichtsbesuch, hier kann man sich kaum satt sehen.

    Was sich auch lohnt, ist zwischendurch einfach mal in den Bus zu steigen (natürlich auf die obere Etage ;)). Hier bekommst du einfach noch mal viel von Alltagsgesprächen mit und schaffst es dank Oyster Card recht günstig, viel von der Stadt zu sehen.

    Beste Grüße
    Tony

  2. Lustig, mein Mann und ich waren auch im Dezember 2014 in London. Genauer gesagt, exakt über Weihnachten. 🙂 Meine Bilder vom Covent Garden mit den roten Weihnachtskugeln sehen genau so aus.

    Ich liebe diese Stadt und fahre immer mal wieder dorthin. Abends sind die Pubs immer voll gestopft, man kommt kaum durch die Tür. Wir waren schon mal nachmittags drin. In Irland ist es ähnlich. Nach Feierabend geht jeder in den Pub. Man steht auf Tuchfühlung in Dreierreihen vor dem Tresen.

    Die Höflichkeit der Briten würde ich gerne nach Deutschland importieren.

    Liebe Grüße
    Renate

  3. Ein sehr schöner und mal ganz anderer Reisebericht zu einer meiner Lieblingsstädte. Schmunzeln musste ich bei deinen Erzählungen über eueren Theaterbesuch. 🙂 Ich werde deinen Artikel direkt mal unter meinen Londonartikel verlinken. Dein Artikel hat mir wirklich sehr gut gefallen.

    Liebe Grüße
    Peggy

  4. Pingback: London calling - 4 Orte in London die einen Besuch wert sind. - travellicious

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