„O Täler weit, o Höhen“ – Mein Lieblingswald

O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt’ger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft’ge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!

(Abschied vom Walde) 

WienerWald

Der Wiener Wald im frühen Herbst

Als Sabine von Ferngeweht für ihre Blogparade nach unserem Lieblingswald fragte, musste ich sofort an dieses Lied denken. Und wenn es einen Wald gibt, der mir bei diesen Zeilen in den Sinn kommt, dann ist es eindeutig der Wiener Wald. 

Als mein Wegzug aus Wien beschlossene Sache war, streifte ich noch einmal durch all die Ecken des Wiener Waldes, die ich in den vorherigen Jahren so lieb gewonnen hatte (interessanterweise habe ich genau von diesen Ecken kaum Bilder).

Ich saß auf der Bellevue-Wiese, wo sich Sigmund Freud das Geheimnis des Traumes erschlossen haben soll. Besuchte den versteckten, verwunschenen Weiher hinter dem Baumkreis „Am Himmel“ und die unweit des Sieveringer Steinbruchs gelegene einsame Lichtung.

im Sommer bei Mödling

Ich stand noch einmal am Agnesbründl unter dem mit unzähligen bunten Bändern geschmückten Baum, und auf der Jägerwiese, stieg den steilen Weg des Kalvarienbergs über Gumpoldskirchen hinauf und atmete die würzige Luft der Föhrenberge.

der Kalvarienberg bei Gumpoldskirchen nach einem langen Winter

Und immer summte ich dieses Lied vor mich hin: „Meiner Lust und Wehen andächtiger Aufenthalt“. Ja, das war der Wiener Wald tatsächlich immer gewesen und nun nahm ich Abschied von MEINEM Walde.
Ging es mir gut, stapfte ich frohen Mutes und mit beschwingtem Schritt durch den Wald und genoss das Leben.

Ging es mir nicht so gut, mochte ich mich zwar nur mühsam aufraffen, aber kaum war ich auf einem einsamen Weg im Wiener Wald unterwegs, so spürte ich, wie gut es mir tat. Und irgendwann lag ich dann eine Pause machend in der Sonne und die Verse eines anderen Gedichtes (Hesses „Im Grase liegend“) gingen mir durch den Sinn:

„Mag alles Qual, mag alles Leid und Schatten sein.
Doch diese eine, süße Sonnenstunde nicht
und nicht der Duft vom roten Klee
und nicht das tiefe zarte Wohlgefühl in meiner Seele“

So viele Orte des Wiener Waldes verbinde ich mit einer bestimmten Phase meiner Zeit in Wien, manche mit sehr konkreten Dingen. Und bei meinem Abschiednehmen vom Wiener Wald zogen all diese Erinnerungen wieder an mir vorbei. Lebensfreude, Versöhnung, Streit, Herzschmerz, Spiritualität und Zerstreuung. Sie alle haben irgendwie ihren Platz in „meinem“ persönlichen Wiener Wald, haben ihre Spuren dort hinterlassen.
Und wenn ich diese Orte heute aufsuchen würde, wäre ich sicher nach wie vor in der Lage, sie dort zu finden, wie kleine vor langer Zeit dort deponierte Päckchen, die nur ich werde finden können und die geduldig darauf warten, dass ich endlich einmal wieder des Weges komme.

Bärlauch

Bärlauch im Wienerwald im Frühjahr


Hier kann man sich die berühmte Vertonung des Gedichtes noch einmal auf youtube anhören.

10 Gedanken zu “„O Täler weit, o Höhen“ – Mein Lieblingswald

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  4. „Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist wie die meine. Ich bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken, daß meine Kunst darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein größerer Maler gewesen als in diesen Augenblicken. Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Alliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält; mein Freund! Wenn’s dann um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhn wie die Gestalt einer Geliebten – dann sehne ich mich oft und denke : ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes! – mein Freund – aber ich gehe darüber zugrunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen.

    Ich weiß nicht, ob täuschende Geister um diese Gegend schweben, oder ob die warme, himmlische Phantasie in meinem Herzen ist, die mir alles rings umher so paradisisch macht. Das ist gleich vor dem Orte ein Brunnen, ein Brunnen, an den ich gebannt bin wie Melusine mit ihren Schwestern. – Du gehst einen kleinen Hügel hinunter und findest dich vor einem Gewölbe, da wohl zwanzig Stufen hinabgehen, wo unten das klarste Wasser aus Marmorfelsen quillt. Die kleine Mauer, die oben umher die Einfassung macht, die hohen Bäume, die den Platz rings umher bedecken, die Kühle des Orts; das hat alles so was Anzügliches, was Schauerliches. Es vergeht kein Tag, daß ich nicht eine Stunde da sitze. Da kommen die Mädchen aus der Stadt und holen Wasser, das harmloseste Geschäft und das nötigste, das ehemals die Töchter der Könige selbst verrichteten. Wenn ich da sitze, so lebt die patriarchalische Idee so lebhaft um mich, wie sie, alle die Altväter, am Brunnen Bekanntschaft machen und freien, und wie um die Brunnen und Quellen wohltätige Geister schweben. O der muß nie nach einer schweren Sommertagswanderung sich an des Brunnens Kühle gelabt haben, der das nicht mitempfinden kann.“ (Goethe, Werther)

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