Murtaugh-Liste? Was soll das denn schon wieder sein?
Das war mein erster Gedanke, als Thomas und Melanie von Reisen Fotografie ihren Artikel darüber veröffentlichten. Ich hatte das Wort noch nie gehört. Aber Listen mag ich grundsätzlich gerne – und der Zusatz „Zu alt für diesen Kram“ gefiel mir auch. Den Gedanken kannte ich zu gut. Also klickte ich mal und amüsierte mich über ihre Liste und die Listen anderer, die sie in die Kommentare posteten.
Vieles davon kannte ich zu gut: Auf Festivals etwa bin ich nie gegangen. Jetzt fühl ich mich zu alt, um damit noch anzufangen. Abgesehen davon, dass mich das überhaupt nicht interessiert. Ja, ich bin zu alt, um irgendwas zu machen, was mich nicht interessiert, obwohl wer sagt, ich müsse das mal ausprobieren. Muss ich? Hmm, nö.
Mir die Nacht um die Ohren schlagen ist schon lange kein Hobby mehr von mir und jedes mal, wenn ich es doch tue, sagt mir mein Körper hinterher zwei Tage lang deutlich, was er davon hält: Nichts.
Vieles von dem, was man heute nicht mehr machen würde, ist natürlich auch eine Frage erweiterter Möglichkeiten: Ich habe plötzlich einfach mehr Geld als früher.
Aber es sind auch gestiegene Ansprüche, für die ich bereit bin, mehr auszugeben und dafür woanders vielleicht kürzer zu treten. Das ist ein Punkt, den ich auf den anderen Murtaugh-Listen oft gelesen habe: Ein paar Euro mehr für eine Direktverbindung statt umzusteigen, für ein Doppel- statt Mehrbettzimmer, für mal nett essen gehen statt das Sparfuchsmenü im Supermarkt zusammenstellen. Das kannte ich auch.
Ich habe also mal überlegt, welche meiner Urlaube ich SO nicht mehr machen würde. Drei davon stelle ich mal vor.
Rom 2008
Eine Freundin und ich, beide Studenten, fahren nach Rom. Geld haben wir nicht. Kulturinteressiert sind wir aber. Woran wird also gespart? Nicht an Eintrittsgeldern natürlich. Sondern an Essen und Unterkunft.
Wir wohnen in großartiger Lage, fünf Fußminuten vom Petersplatz. Aber wir wohnen in einem Loch. In einer Schlafstatt, anders kann man dieses „Hostel“ nicht nennen. Die Dusche… ach du je. Wie vieler Menschen Haare darin liegen weiß ich nicht, ich hab nicht hingeschaut.
Das Zimmer war ein Vier-Bett-Zimmer, in dem dann nachts auch die Hostelmitarbeiter übernachteten. Manchmal auch zu zweit in einem Bett (nicht das, was ihr denkt!) und einer davon fiel einmal nachts mit lautem Schlag aus dem Bett heraus.
Das Hostel war ein Partyhostel, in dem die internationalen Mitarbeiter wohl den meisten Spaß hatten. Wenn wir früh aufstanden war noch keiner munter, wenn wir abends todmüde nach einem Sightseeingtag um 21.30 Uhr ins Bett fielen, sahen uns die anderen komisch an, weil wir nicht mittranken. Na, immerhin hat uns die Nacht nur 16€ gekostet – und das gleich neben dem Petersplatz!
Gelebt haben wir die ganzen Tage von Billigkuchen aus dem Supermarkt zum Frühstück und zum Mittag- und Abendessen gab es Toast mit Frischkäse und Salami. Mjamm. Einmal nahmen wir Pizza auf die Hand und einmal gingen wir in Trastevere essen. Denn „wenn man in Italien ist, muss man ja auch mal essen gehen“. Wir aßen jeweils eine Portion Pasta.
Was würde ich heute anders machen?
Ich würde verdammt noch mal ein vernünftiges Hotel oder eine Pension wählen. Es muss ja kein Luxusschuppen, aber ein Zimmer nur für uns mit einer abschließbaren Tür und ohne angetrunkenen Besuch bei Nacht, das wär schon fein. (Das war übrigens das letzte Mal, dass ich in einem Mehrbettzimmer geschlafen habe)
Und wenn ich in Italien bin, dann ESSE ich. Ich esse gerne gut und immer wieder. Klar, manchmal holt man sich einfach was aus dem Supermarkt oder kauft sich ein Panino. Aber heute würde ich in Rom nicht mehr von Toast mit Frischkäse leben wollen.
Bologna 2012
Auch 2012 schwamm ich nicht wirklich im Geld. Ich würde sogar sagen, ich war von einem vernünftigen Monatsgehalt noch meilenweit entfernt. Ich wollte mit meiner Mitbewohnerin trotzdem verreisen. Es sollte nach Italien gehen – Bologna war unser Ziel. An einem kalten November-Wochenende machten wir uns also auf den Weg.
Mit dem Nachtzug fuhren wir nach Bologna – und dann waren wir da und in unser Hostel (ach ja, schon wieder ein Hostel. Immerhin ein Doppelzimmer diesmal.) konnten wir erst 3 Stunden später oder so. Die drei Stunden verbrachten wir also samt Gepäck in der Innenstadt. Man, war das spannend… früh um sechs ist da auch echt was los. Vor allem an einem kalten November-Wochenende.
Mit dem Essen hielten wir es ähnlich üppig wie seinerzeit in Rom. Wir gingen „halt mal“ essen. Denn wenn man schon mal in Bologna ist – immerhin eine DER Kulinarikstädte Italiens – dann ist man wenigstens mal die Lasagne. Nicht wahr?
Zurückgefahren sind wir dann wieder im Nachtzug, der erst gegen Mitternacht abfuhr. Bis dahin mussten wir uns wieder die Zeit – mit Gepäck – in der Stadt totschlagen, denn die Gepäckaufbewahrung am Bahnhof war nur bis 21 Uhr geöffnet. Geschlafen haben wir in einem normalen Sechserabteil, sitzend. Zumindest haben wir versucht, zu schlafen. Angekommen sind wir in Wien um sechs Uhr früh. Wenig später waren wir beide wieder auf der Arbeit.
Was würde ich heute anders machen?
Ach, so ziemlich alles! Wie auch in Rom würde ich in Bologna essen, essen, essen und essen. Man kann doch nicht in die „Foodie-Hauptstadt“ Italiens fahren, um dann beim Essen zu knausern!
Außerdem würde ich auch dort darauf achten, eine bessere Unterkunft zu nehmen, bei der die Wände nicht aus Papier sind und wo es auch eine Möglichkeit zur Gepäckaufbewahrung gibt. Und auch vielleicht ein Frühstück, das aus mehr besteht als aus einem billigen Biscotto und wo nicht sogar die Italiener den Espresso falsch schreiben.
Und zu guter Letzt würde ich NIE NIE NIE wieder mit dem Nachtzug in einem Sitzabteil fahren, zuhause ankommen und dann sofort in die Arbeit gehen. Wenn ich jetzt Nachtzug fahre, dann nehme ich mindestens ein Liegeabteil, besser noch ein Schlafabteil. Und wenn ich von einem Urlaub auch bloß am Abend zurückkomme, dann nehme ich mir auch den nächsten Tag noch frei. Man gönnt sich ja sonst nichts. Und während man bei allem, was Geld kostet, noch sagen kann, dass ich mir das heute einfach leisten kann und deshalb gut reden habe, so ist es in Punkto Zeit doch genau andersrum: Damals hätte ich mir viel leichter noch diesen Tag freinehmen und einfach zu Hause bleiben können. Aber man war ja so jung und abenteuerlich.
Mosel-Radtour 2006
Die Mosel-Radtour war unsere erste Mehrtagestour, die wir wirklich durchgezogen haben. Nachdem die Kunigundenweg-Tour so grandios gescheitert ist, wir das mit dem Radwandern aber partout nicht aufgeben wollten, musste ein Erfolgserlebnis her.
Schritt 1: Einen Flussradweg aussuchen. Der ist eben, gut beschildert und damit auch für uns hoffentlich machbar, die wir weder Ausdauer hatten noch Karten lesen konnten.
Schritt 2: Vorbuchen. Unsere Unterkunft für jede Nacht stand jeweils fest, denn so mussten wir am Ende des Tages nicht auch Energie für die Suche einer (für uns leistbaren) Unterkunft aufbringen.
Was würde ich heute anders machen?
Damals haben wir alles richtig gemacht. In diesem Kontext „ging es nicht anders“. Wir brauchten dieses Erfolgserlebnis und wir bekamen es. Das war notwendig.
Der Vergleich unserer letzten Radtouren mit unserer ersten Radtour zeigt mir, wie unglaublich viel wir gelernt haben in diesen Jahren. In der Normandie folgten wir keinem festen Radweg, sondern wir fuhren einfach drauf los. Klar, wir hatten vorher eine Route überlegt, hatten auch einen GPS-Track, aber diese Route folgte mal einem Radweg, mal einer Landstraße, mal einem Feldweg oder auch mal einer Bundesstraße. Unser Vorteil: Wir wissen heute, wie man Karten liest und verfahren uns nicht mehr an jeder Abzweigung.
Hotels werden eigentlich nicht mehr vorgebucht. Höchstens in stärker frequentierten Städten zwei Tage früher von unterwegs. Heute haben wir außerdem unser Zelt dabei und im Notfall könnten wir damit auch in der Einöde übernachten. Und hin und wieder gönnen wir uns dann auch mal eine Übernachtung in einem schicken Hotel. Die Suche nach der Unterkunft gehört heute eigentlich zu den mir liebsten Teilen einer Radreise.
Zudem können wir unsere eigenen Kräfte viel besser einschätzen. Wir wissen, wann es nicht mehr geht. Wir wissen, ob wir es heute schaffen, eine längere Tour zu fahren oder lieber einen Tag Pause einlegen. Wir kennen uns selbst und unseren Körper viel besser als früher.
Einen Punkt, der in 1. einigen 2. Listen 3. anderer 4. Blogger genannt wurde, würde ich aber nicht aufnehmen: Zelten. Denn das tue ich immer noch gern. Für den Scheiß bin ich offenbar noch jung genug. Andererseits haben meine Großeltern das noch so lange gemacht, wie sie von den Feldbetten aufkamen. Und auch beim Wüstentrekking in Jordanien war ich bei Weitem die Jüngste, die dort im Sand schlief. Wer weiß, vielleicht ist das eine Typfrage?
Für unsere Apulien-Radtour nächstes Jahr hoffe ich jedenfalls auf ähnlich lauschige Zeltplätze wie in der Normandie.
Hi Ilona,
die Idee, eine Murtaugh-Liste speziell fürs Reisen zu machen ist Klasse. Mal schauen, ob ich unsere in einem zweiten Teil mal fortsetze. Denn da gab es auch einige Reisen, die wir so heute nicht mehr machen würden.
LG Thomas
Ach, ich hätte auch sonst so einiges schreiben können auf eine „allgemeine Murtaugh-Liste“, aber irgendwie wurde das meiste davon bei euch und anderen schon gesagt 😀 Außerdem fiel mir vieles ein, das ich auf die allgemeine Liste gesetzt hätte, das genau aus einem dieser Urlaube stammt – hauptsächlich aus Rom und Bologna 😀
Das ist doch auch mal ein schöne Murtaugh-Liste! Sokche Erlebnisse hätte ich auch noch in petto 🙂 Und was das Zelten angeht: Auch wenn das auf meiner Muttaugh-Liste steht, würde ich in einer Wüste dazu wohl doch nicht Nein sagen …
Hehe, sollte ich zu einer zweiten Pseudo-Blogparade mit Reise-Murtaugh-Listen aufrufen? Mir scheint, da sind viele Geschichten noch unerzählt 😉
Ich muss ja gestehen, dass es zunehmend schwerer fällt auf einer 2cm dicken Isomatte zu übernachten. Vielleicht werd ich in den nächsten Jahren mal upgraden auf 4cm 😀 Und in der Wüste ist das natürlich noch mal was ganz anders, als auf nem Campingplatz an der Adria (der Sand ist nämlich eigentlich ganz angenehm als Untergrund und man hat auch dickere Matten).
eine schöne und etwas „andere“ liste, das mag ich. was ich heute definitiv nicht mehr machen würde: im auto übernachten. hostels und sowas war irgendwie nie das meine, die reiselust kam bei mir erst mitte 20 und kurz vor dem ersten vollzeitjob, also hab ich wohl einiges nicht erlebt, das viele mitgemacht haben. aber wie du sagst: dafür bin ich nun auch zu alt 🙂
ahaha, oh ja. Im Auto übernachten 😀 Ob ich DAS heute noch könnte? Ich glaube, heute würden wir uns für die Österreich-Rundreise einen Campingbus mieten, aber nicht mehr zusammen in Vaters Auto schlafen 😉
Und ja, für manche Sachen ist man dann zu alt, um es noch auszuprobieren. Ich würd ja auch jetzt nicht mehr mit dem Rauchen anfangen… hab es bisher noch nicht probiert, aber jetzt muss ichs auch nicht mehr probieren.
Huch,
ich bin ja Kummer gewohnt, aber deine ersten beiden Erlebnisse wären mir dann doch auch ein wenig zu krass 😉
Ich denke mir nach ähnlichen Erlebnissen jedes Mal, dass ich daraus gelernt habe. Klappt allerdings nicht immer 😀
Liebe Grüße
Isabel
Als Student fällt einem das gar nicht so auf, da ist man es ja gewohnt, mit dem Geld zu haushalten. Irgendwie macht das ja auch den Reiz des Studentenlebens (so im Nachhinein) aus. Mit wie wenig man es sich damals doch mitunter so richtig gut gehen lassen konnte…