Vor neun Jahren, mit 31, habe ich einen Artikel zum Thema „30 werden“ geschrieben. Ich hatte damals auf einem anderen Blog eine „30 vor 30“-Liste gelesen, also eine Liste mit 30 Dingen, welche die andere Bloggerin vor ihrem 30. Geburtstag getan haben wollte. „30 vor 30“-Listen sind nach wie vor populär und das Internet voll davon.
Damals stellte ich fest: „Ich [hatte] nie so eine Liste. Nicht einmal im Kopf. Ich habe lange nachgedacht, aber tatsächlich fällt mir nichts ein, von dem ich glaubte, es bis zu meinem 30. Geburtstag unbedingt hinter mich gebracht haben zu müssen. Außer Abitur und Studium vielleicht. Es gibt Dinge, bei denen ich mir dachte, dass ich sie in meinem Leben gern tun möchte, aber bis zu meinem 30. Geburtstag?“
Neun Jahre sind vergangen und es geht mit großen Schritten auf die 40 zu. Nur noch wenige Tage und ich werde ein weiteres Jahrzehnt vollendet haben.
Ich war neugierig: Gab es auch so viele „40 vor 40“-Listen? Was nahmen sich Leute für die Zeit vor dem 40. Geburtstag vor?
Ich fing an zu suchen – die Ausbeute war spärlich. Offenbar nahm sich kaum jemand vor, zwischen 30 und 40 in der Wüste zu campen, eine Ballonfahrt zu machen oder einen Vulkan beim Ausbruch zu beobachten – alles Dinge, die ich in meinen 30ern getan habe. Vorher hatte ich dafür auch einfach nicht das Geld, selbst wenn noch so viele Abenteuerreisen auf den „30 vor 30“-Listen dieser Welt standen. Ich hatte mich damals schon gefragt, warum ich mit ü30 plötzlich zu alt für solche Dinge sein sollte und stellte mir das Leben ab 30 ziemlich langweilig vor, wenn man alles, was man tun und sehen wollte, schon vor dem 30. Geburtstag getan oder gesehen hätte.
Ich weiß gar nicht warum offenbar so viele glauben, sie müssten vor dem 30. Geburtstag die Welt bereist, sämtliche Dinge erlernt und alles ausprobiert haben. Das kann man nach 30 doch auch noch genauso gut…
Doch was spuckte das Internet aus, wenn man nach „40 werden“ suchte?
Ganz weit vorne dabei: Schwanger werden ab 40. Nun gut, das Thema ist bei mir durch. Sehr endgültig und sehr gewollt. Zum Glück haben auch endlich die Fragen und spitzen Bemerkungen darüber nachgelassen. Auch wenn mir völlig fremde Personen nach wie vor nicht müde werden, mir mitzuteilen, dass ich das schon noch bereuen werde.
Ebenfalls populär: Tipps zum Training ab 40, um lästiges Bauchfett loszuwerden.
Das Thema ist leider nicht wirklich durch. Es wird tatsächlich immer schwieriger, den lästigen Fettplösterchen den Kampf anzusagen. Ich wollte es früher nicht glauben. Zum Glück bin ich aber inzwischen so alt, dass niemand von mir erwartet, den aktuellen „Bauch-frei“-Trend mitzumachen.
(An alle u35: Falls ihr abnehmen wollt, tut es jetzt. Leichter wird’s nicht!)
Und dann gab es im Internet noch viele Ergebnisse, die das böse Wort enthielten: Midlife Crisis. Offenbar wär es dann jetzt mal Zeit dafür…
Midlife – jetzt schon? Die durchschnittliche Lebenserwartung einer Frau in Deutschland, Jahrgang 1984, liegt bei 84-87 Jahren. Ich bin also tatsächlich fast in der Lebensmitte, rein statistisch.
Die Midlife Crisis war doch eher ein von Fendrich scherzhaft besungenes Phänomen, das Herren mit zurückweichendem Haaransatz betraf, die sich erst ein teures Auto und dann eine junge Geliebte zulegten!
Das weibliche Pendant trank zuviel Chardonnay. Im tragischsten Fall fühlten sie sich so in ihrem Leben gefangen, dass sie aufs Dach kletterten, wenn sie merkten, dass es für einen Ausbruch zu spät war – wohlgemerkt im zarten Alter von 37 Jahren:
At the age of thirty-seven
She realised she’d never ride
Through Paris in a sports car
With the warm wind in her hair
Aber offenbar gibt es sie wirklich, die Midlife Crisis. Mit Mitte 30 – so zeigen Studien – sinkt die allgemeine Lebenszufriedenheit ab und steigt erst ab Mitte 40 langsam wieder an – eine „U-Kurve des Glücks“ (Quelle). Und ich befände mich demnach gerade im „Tal des Lebens“, wie Die Zeit schon 2012 zum Thema titelte. Oder zumindest wäre ich gerade auf dem Abstieg zur Talsohle.
Wenn das gerade das Tal meines Lebens ist, dann bitte mehr davon! Es ist ein wunderschönes, fruchtbares Tal, wenn ihr mich fragt.
Wahrscheinlich hat die Midlife Crisis weniger zu tun mit Fendrich und mehr mit Wolf Biermann:
Das kann doch nicht alles gewesen sein
Das bißchen Sonntag und Kinderschreien
Das muß doch noch irgendwo hingehenDie Überstunden das bißchen Kies
Und abends in der Glotze das Paradies
Darin kann ich doch keinen Sinn sehenDas soll nun alles gewesen sein
Da muß doch noch irgendwas kommen – nein?
Da muß doch noch Leben ins Leben – eben
Als begeisterte Leserin der Probleme mir völlig fremder Menschen auf Online-Psychologie- und Selbsthilfe-Foren (meine liebe Bloggerkollegin Barbara von Reisepsycho.com nannte das einmal „Sozialpornographie“) habe ich mehr als einmal eine Person, ungefähr in meinem Alter, diese Frage in der ein oder anderen Formulierung stellen sehen: War’s das schon? Kommt da noch was? Geht das jetzt bis zur Rente so weiter?
Meist Menschen, die nach landläufiger Betrachtung doch alles haben: sicheren Job, Haus, Auto(s), Partner, Familie…
Doch der Job machte kaum Spaß, war ein lästiges Übel, das Haus wurde noch abbezahlt, die Beziehung steckte im Alltagstrott, die Kinder waren in der Trotzphase oder in der Pubertät und etwas zu ändern schien unmöglich: zu viel hing daran, die Angst war zu groß, dass eine kleine Änderung alles zum Einstürzen brachte. Denn eigentlich – ja eigentlich – passte doch alles.
Ich las diese Beiträge und stellte meist fest, dass ich mich kaum darin wieder erkannte. Ich stellte mir die Frage „Wars das schon?“ nicht – nicht mehr.
Vor neun Jahren schrieb ich in meinem Artikel: „Ich bin 31, ich lebe mit zwei Katzen zusammen. Ich habe kein Haus, keinen Mann, keine Kinder, nicht mal ein Auto. Und eigentlich bin ich gefühlte Lichtjahre von all diesen Dingen entfernt.“ Heute ist es nur noch eine Katze und ein Mann hat inzwischen den Weg in mein Leben gefunden. Aber sonst ist es ist es ziemlich unverändert. Nicht mal die Arbeitssituation hat sich grundsätzlich verändert: Ich bin immer noch befristet angestellt.
Wie schon in einigen früheren Artikeln fragte ich mich, als ich mich durch die Artikel über die Midlife Crisis klickte, ob es mein Mangel an Festlegung und auch Sicherheit war, meine Offenheit gegenüber Veränderungen, die das Leben einem so zuwarf, die mich in diesen Jahren vor der Frage bewahrten: Soll das schon alles gewesen sein?
Ich weiß, dass das nicht alles war. Nach meiner jetztigen Arbeit kommt eine neue. Nach meinem jetzigen Wohnort wird ein neuer kommen. Wo? Wer weiß das schon… wir werden das schon sehen.
Das Gefühl von „Das kann doch noch nicht alles gewesen sein!“ kannte ich durchaus. Allerdings aus meinen 20ern. Die Quarterlife Crisis sozusagen. Die habe ich nämlich voll durchlebt: damals wollte ich einfach nur weg aus meiner Heimatstadt und als ich dann weg war, war plötzlich trotzdem noch nicht alles so rosig, wie erhofft… „Where’s all the talent that I had last decade?“, wie Taylor Bickett in ihrem Lied über die Quarterlife Crisis singt.
Aber die Midlife Crisis?
„Die fortschreitende Verminderung von Möglichkeiten“ empfinde ich tatsächlich nicht. Ich kenne auch nicht die „Sehnsucht nach der Jugend, in der einem angeblich noch die Welt offenstand, in der man unzählige Optionen hatte.“ (Quelle) Denn ich hatte diese Optionen damals durchaus nicht – zumindest nicht im gleichen Maß wie heute. Ich habe eher das Gefühl, heute weitaus mehr Möglichkeiten zu haben als früher.
Eine Mischung aus Erfahrung, Qualifikation, Sicherheit und einem realistischeren Blick auf das Leben, den ich auch durchaus dem Scheitern einiger naiver Jugendvorstellungen verdanke, kommt zusammen mit einem Alter, das mir noch genug Jahre für Veränderung und Anpassung lässt. Wie ich schon vor neun Jahren schrieb: alt genug, um zu „wissen, was man will und dafür sorgen, dass man es auch bekommt.“
Vielleicht wird meine Sinnkrise verspätet kommen, wenn ich aus Italien zurückkehren und in den „Warum ist es hier im Winter so dunkel und im Sommer so kalt?“-Blues stürzen werde. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht bekommt ja gar nicht jeder die Sinnkrise in der Lebensmitte. Meine von mir sehr geschätzte Großmutter hat rückblickend jedenfalls mal erklärt, ihre besten und produktivsten Jahre seien die zwischen 35 und 55 gewesen. Ihr „Tal des Lebens“ war also auch eher eine Hochebene gewesen.
Vielleicht kommt meine Krise ja auch erst im Alter, falls diejenigen Recht behalten, die mir heute prophezeihen, dass ich mir später einmal (erwachsene) Kinder wünschen werde, die mich besuchen kommen. Vielleicht geht es mir aber auch wie Frau J., die ich jahrelang im Altersheim besuchte und die dieses Jahr mit 95 Jahren verstarb. Eines Tages sagte sie achselzuckend: „Die mit Kindern sitzen doch auch hier. Der einzige Unterschied: Ich warte nicht, dass endlich mal jemand kommt.“
Wer weiß das schon? Ich hab schon ein paar Krisen in meinem Leben gemeistert. Ich vertraue einfach darauf, dass ich auch die nächste meistern werde – ob sie jetzt in fünf oder fünfundzwanzig Jahren kommt.
Derzeit fühlt sich bei mir jedenfalls (noch) gar nichts nach Krise an. Im Gegenteil: Gerade eben fühle ich mich pudelwohl und genieße mein Leben.
Sicher hilft es, Lebensgenuss nicht automatisch als oberflächlichen Hedonismus zu empfinden. Ich bin da ziemlich epikureisch eingestellt: Das Leben ist jetzt und jetzt muss es gelebt werden. Für mich ist der Aufenthalt in Florenz eine Art sehr langer Urlaub, in dem ich auch arbeite. Und auch wenn sich das Urlaubsgefühl hier in Italien durchaus schneller nach Dienstschluss einstellt: grundsätzlich anders war das in München nicht..
Ich weiß, dass manche das als hohl und leer ansehen, wenn das Leben daraus besteht, es sich einfach gut gehen zu lassen. Manchen gibt erst ein eigenes Kind Sinn. Wieder andere haben das Gefühl, erst etwas leisten zu müssen, bevor sie sich entspannen dürfen. Als müssten sie es sich verdienen, auch mal die Beine hochzulegen. Ich sehe das, zugegeben, nicht so. Die „Glorification of Busy“ hab ich noch nie verstanden und Lebensgenuss und Sinnhaftigkeit schließen sich meiner Meinung nach auch nicht aus. Wobei es sicherlich hilfreich ist, dass ich eine Arbeit habe, die ich nicht nur sehr gerne mache, sondern auch als sinnstiftend empfinde – und bei der ich auch ständig etwas Neues dazu lerne. Ein Luxus, von dem ich weiß, dass ihn nicht jeder hat.
Gibt es also gar keine Krisen-Symptome in meiner Lebensmitte?
Doch. Die Vergänglichkeit menschlichen Seins wird immer allgegenwärtiger. Und damit meine ich nicht, dass die Menge der Fältchen und der grauen Haare mehr wird und ich plötzlich an Stellen meines Gesichts Härchen zupfen muss, an die ich vorher gar nicht gedacht hatte.
Je älter ich werde, desto häufiger höre ich von Freunden und Kolleginnen, deren Eltern schwer erkranken und sterben. Bis vor einigen Jahren waren es noch die Großeltern – nun sind Krankheit und Tod eine Generation näher gerückt.
Immer häufiger sind es auch meine Kollegen oder Freunde selbst, meine Altersgenossen, die erkranken – und manchmal dem Tod gerade noch so von der Schippe springen. Manchmal auch nicht.
Doch: „Wenn das Leben ein sechswöchiger Sommerurlaub ist, haben wir noch gut drei Wochen vor uns. Wir kennen schon den schnellsten Weg zum Strand und wissen, wo es die leckersten Brötchen gibt. Wir haben noch einige Ausflüge in die Umgebung vor uns und freuen uns schon aufs Baden am nächsten Tag. Und das Ende des Urlaubs? Das liegt nun wirklich noch in weiter Ferne.“ – auch wenn natürlich immer das Risiko besteht, überraschend vorzeitig abreisen zu müssen. Bis dahin will ich die Reise aber genießen. (Das Zitat stammt von Volker Maquardt, zitiert nach Die Zeit)
Und wie fühle ich mich jetzt mit dem 40 werden?
Jetzt, wo der „Geburtstag des Grauens“ (SZ) immer näher rückt. Eigentlich genauso wie vor neun Jahren. Oder fünf Jahren. Oder letztes Jahr. Nur, dass ich ganz verblüfft bin, wo diese neun Jahre nur hingegangen sind. 40 werden lässt mich ein bisschen ratlos zurück, weil ich in meinem Kopf irgendwie immer noch 25 bin – oder meinetwegen 30. Ich sehe nicht viel Unterschied, außer mehr Lebenserfahrung. Im Spiegel aber sieht mich die gleiche Person an. Wenn ich mich dann auf Fotos sehe, dann sehe auch ich den Unterschied.
Trotzdem fühle ich mich nicht ansatzweise so alt, wie ich meine Eltern in diesem Alter fand. Und nicht so alt, wie mich Teenager wahrscheinlich gerade finden. Eigentlich fühl ich mich noch ziemlich fit und frisch und munter. Nur vielleicht etwas müder.
Alles in allem erkenne ich mich – zum Glück – kein bisschen in Lucy Jordan wieder, sondern – noch immer – viel mehr in einem Lied, das übrigens auch schon 40 Jahre alt ist: Girls just wanna have fun.
„I wanna be the one to walk in the sun
Oh, girls—they wanna have fun
Oh, girls just wanna have“
PS: Übrigens hatte ich tatsächlich etwas auf meiner „vor 40“-Liste stehen, einen einzigen Punkt. Ende 2019 schrieb ich an meine Bloggerkollegin Sandra von Tracks and the City: „Der Plan ist, meinen 40. Geburtstag auf jeden Fall nicht mehr in München zu feiern.“
Das immerhin habe ich geschafft… und bis zu meinem 50. Geburtstag? Ich habe noch eine lange Liste an Orten – in Italien und außerhalb – die ich gerne eines Tages sehen möchte. Ich möchte das Französisch lernen noch einmal angehen und eine dritte Fremdsprache fließend sprechen können. Irgendwann möchte ich noch mal eine Ballonfahrt machen. Ich will den Kontakt zu meinen Freunden halten und neue finden auf dem Weg. Und ansonsten hält das Leben noch so viel Lernenswertes bereit, an das ich jetzt wahrscheinlich noch gar nicht denke.
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Liebe Ilona,
sehr kluge Gedanken. Du machst schon alles richtig – vermutlich genau deswegen, weil man beizeiten lernt, dass das leben nicht immer ein Ponyhof ist, man es sich aber prinzipiell darin so gut einrichten kann, wie man es schafft – wenn man will. Ich denke, du hast sehr viel von deiner Großmutter geerbt, die absolut recht hatte. Man kann das sogar noch weiter eingrenzen: genau dieses Lebensjahrzehnt zwischen 40 und 50 ist das beste und man sollte das genießen, weil die Zeit tatsächlich rast. Die Midlife Crisis in dem Sinn hatte ich nicht und alles, was in der Zeit heftig war, nicht zuletzt mal eben der Tod meiner im Ausland lebenden Mutter hat mich persönlich nur stärker gemacht und den Blick aufs Wesentliche gestärkt. Ihr Leben war leider zu kurz, aber wenigstens hat sie es jenseits aller Konventionen da gelebt, wo es ihr gefiel. Und klar, wir wissen alle nicht, was kommt, aber in der Tat ist es fragwürdig, alles grundsätzlich vor dem 30. gesehen haben zu müssen, alleine schon, weil sich nicht jede/r das finanziell leisten kann. Deswegen habe ich meine erste Fernreise mindestens genauso genossen – und bei meiner zweiten Fernreise zwei alte Damen aus Berlin bewundert, die in ihren 80ern waren, die eine am Rollator, die andere auch nicht die schnellste, aber sie haben sich beide unterstützt. Aber die waren so super drauf und der Beweis, dass man Offenheit und Neugier nicht mit dem Alter ablegt, wenn man das nicht möchte und dass man auch dann einen Weg findet, wenn man nicht mehr körperlich agil sein sollte. Die beiden sind mir bis heute neben meiner Mutter das größte Vorbild und dabei geht es gar nicht mal um Fernreisen, sondern die grundsätzliche Einstellung dahinter. Die sehen ich bei dir ganz deutlich und vielleicht kannst du auf einer schicken Reise meinen Rollator schieben, wenn ich 80+ bin. Alles Liebe dir.
Sabine
„weil man beizeiten lernt, dass das leben nicht immer ein Ponyhof ist, man es sich aber prinzipiell darin so gut einrichten kann, wie man es schafft – wenn man will“
Ein sehr guter Satz. Klar, viel hängt vom Glück ab und von den Gelegenheiten. Aber mindestens so sehr davon, wie man auf die Gelegenheiten reagiert. Viele Menschen hätten mehr Gelegenheiten, mal was anders zu machen, aber sie ergreifen sie nicht. Und grundsätzlich denke ich: Wenn man Veränderung will, muss man auch etwas aktiv werden. Einfach so weitermachen und hoffen, dass sich schon was ändern wird (und zwar zum Guten) ist halt eher wenig hilfreich.
Meine Vorbilder sind ja wirklich meine Oma und Frau J. Die waren sich beide irgendwie sehr ähnlich. Die haben einfach ihr Ding gemacht, ohne dabei Egoisten zu sein.
Du mach mal schön weiter so, wie dus machst… und nicht an die „50+ Hausfrauen-Clique“ anpassen 🙂 Bleib so schön unbequem und alternativ.
Hallo Ilona,
haha, sehr gut. Ich sag‘ auch immer öfter, dass ich Berufsurlauber bin. Ansonsten gilt ja die Devise: mach Dir keine Sorgen, es wird alles noch viel schlimmer.
Viele Grüße
Stefan
Na, ich denk mir oft: Man muss manchmal seine Tage einfach so leben, als wär man in Urlaub. warum soll ich nicht nach Dienstschluss irgendwo sitzen und Spritz trinken und das Leben beobachten? Im Urlaub täte ich es doch auch ohne Bedenken 🙂
Liebe Ilona,
ich gebe zu, vor meinem 30. und 50. Geburtstag war ich ein bisschen nervös. Diese Nullertage furchtbar. Mit dreißig hatte ich das Gefühl, ich müsse jetzt ein bisschen vernünftiger werden. Bei uns geht das ganze Geld für das Reisen drauf, immer schon. Ich habe dann eine Lebensversicherung abgeschlossen, damit ich eine Rücklage im Alter habe. War keine schlechte Idee.
Das Leben ist ein Auf und Ab, völlig unabhänig von Jahrzehnten. Meine schlimmste Zeit war mit 32 Jahren, 4 Todesfälle in einem halben Jahr. Im Sommer dann meine Mutter. Das traf mich völlig unvorbereitet.
Der 60. Geburtstag fiel mitten in Corona und wurde gar nicht gefeiert.
Meine bisher schönste Zeit ist jetzt, seit ich nicht mehr arbeiten gehe. Endlich kein Druck, viel mehr Freizeit und Freiheit. Ich hoffe, das bleibt noch einige Zeit so.
Viele liebe Grüße
Renate
Interessant… und vor dem 40. Geburtstag dann nicht? Was war da anders?
Ja, 4 Todesfälle ist natürlich hart – das würde jeden aus der Bahn werfen. Unabhängig vom Alter.
Ich glaube, mein schlimmstes Jahr (und das kann man mit 4 Todesfällen nicht vergleichen!) war mit 30, allerdings nicht aufgrund des Alters sondern wegen der Lebensumstände. Zum Glück waren die aber änderbar – und das hab ich auch getan.
Ich arbeite ja sehr gerne. Ich mag meine Arbeit. Aber ich mag sie nicht unbedingt Vollzeit machen. So habe ich glücklicherweise jetzt schon viel Freizeit…
An den 40. kann ich mich nicht mehr erinnern. Sei froh, dass du einen schönen Job hast, der dir Freude bereitet. In den Boomerjahren hat man fast jede Ausbildungsstelle genommen, die man überhaupt bekommen hat. Die Konkurrenz war groß und häufig hat man sich mit mehr als 500 Interessenten gleichzeitig beworben. Ich habe immer Vollzeit gearbeitet, teils Schichtdienst und lange Anfahrten.
Liebe Grüße
Renate
Ach, liebe Renate. Das, war nicht nur in den Boomerjahren so. Ich habe meinen Abschluss mitten in der Bankenkrise gemacht. Einstellungsstops im öffentlichen Dienst damals, nix außer Schwangerschaftsvertretungen und die fast immer nur Halbtags. Gleichzeitig stiegen die Mieten.
Endlich hat es sich gewandelt und der Arbeitsmarkt ist etwas Arbeitnehmerfreundlich geworden.
Liebe Ilona,
du junges Ding! Also ich bin mittlerweile heftige 52, habe Bauchfettprobleme und grässliche Hitzewallungen ;-), spaziere aber ansonsten immer noch recht gut gelaunt durch die Welt und hatte noch nie den Anflug einer Midlife-Crisis, zum Glück. Das war mit 40 nicht anders als jetzt. Wer Spaß hat bei dem, was er macht, im Hier und Jetzt lebt, immer neugierig bleibt und sich so wenig wie mögliche Verpflichtungen aufhalst, hat wahrscheinlich größere Chancen, davon verschont zu bleiben als jemand, der sich Jahrzehnte lang mit Karriere und Familie beschäftigt hat und irgendwann merkt, dass das doch nicht alles gewesen sein kann. Mich gruselt es hin und wieder allerdings ein wenig vor der Endlichkeit des Daseins. Schließlich gibt’s noch so viel zu erleben…
Alles Gute dir und liebe Grüße, Gabi
So, jetzt komme ich endlich dazu, all die Kommentare hier zu beantworten…
Ja, ich hab manchmal das Gefühl, dass Menschen vor lauter Sicherheitsstreben, sich ihr eigenes Gefängnis bauen: Verschuldung fürs Haus, dann angewiesen auf den Job, um die Familie durchzukriegen und natürlich die Schulden abzuzahlen etc.
Ich weiß nicht, ob diese vermeintliche Sicherheit wirklich so viel Sicherheit schenkt.
Hallo Ilona,
schöner lockig flockiger Beitrag über das Älterwerden und das dies gar nicht schlimm sein muss. Gefällt mir sehr gut und die recht flüssigen Übergänge der 30 und 40 teile ich mit Dir. Ich hatte noch nie solche Listen sondern versuche mal pragmatisch, mal verträumt, im Jetzt zu leben ohne das Später komplett aus den Augen zu verlieren. Letztendlich sind wir es selbst, die wir uns die Ziele stecken, Lebenslust erhalten und Freude bemerken und leben.
Übrigens: Unlängst erzählte mir eine weit über 80ig jährige, wo Sie gerade mal wieder nach Herzenslust ihre Rente ausgibt – es war kein geringeres Land als Italien 😉 – scheint zu taugen. Gute Zeit Dir da!
Lg Sandra
Liebe Sandra,
„versuche mal pragmatisch, mal verträumt, im Jetzt zu leben ohne das Später komplett aus den Augen zu verlieren.“ – sehr sehr wahr. Gut gesagt. Man muss eine Balance finden aus Spontanität und Planung. Manches kann und sollte man planen, aber man muss auch immer auf das reagieren können, was das Leben einem so in den Weg wirft.
Und ja: In Italien kriegt man sein Geld schon los 😀
Wow, was für ein genialer Text. Du sprichst mir in vielen Punkten aus der Seele. Ich bin jetzt knapp über 40 und fühle mich auch nicht älter als mit 30. Es ist eben immer Einstellungssache und wie man mit dem Leben umgeht. Ein Rezept, mit dem ich gut bis hierhin gekommen bin: nicht immer das machen, was einem alle einreden, tun zu müssen (wie du sagst: Kinder, Haus, etc.). PS: Ich mache es dir nach und lerne übrigens gerade Französisch bzw. frische meine Schulkenntnisse komplett neu auf. 😉
Viele Grüße
Christian
Sehr gut, das mit dem Französisch lernen! Das will ich unbedingt noch tun, nur halt nicht gerade hier in Italien – sonst komme ich völlig durcheinander 😉
Und ja, ich denke auch, wenn man versucht, den vorgegebenen Wegen zu folgen, obwohl das einem überhaupt nicht liegt, dann kann das nur unglücklich machen. Manche merken halt erst später, dass das ihnen (vielleicht) gar nicht lag. Sie machten halt einfach „was man so tut“, ohne darüber nachzudenken. Kommt sicher auch immer etwas auf das Umfeld an, in dem man aufwächst.
Haha! Sehr amüsant. Danke für diese subjektive Beobachtung in Hinsicht auf die Midlife Crisis. Da ich mittlerweile schon 52 Jahre auf dem Buckel habe, kommt mir 40 noch furchtbar jung vor ;). Eine Beobachtung meinerseits ist zudem, dass sich das Thema Midlife Crisis so ca. 10 Jahre nach hinten verschoben hat. Mit 50 trennen sich plötzlich Paare die Ewigkeiten zusammen waren, Männer kaufen sich ne Harley und Frauen besuchen Selbstfindungskurse. Zudem schlägt Frau sich mit 50 auf einmal mit so lustigen Dingen wie der Menopause herum. 40 war dagegen doch einfacher. Midlife Crisis hatte ich allerdings nie. Vielleicht weil ich eh immer das gemacht habe, worauf ich Bock habe. In diesem Sinne: Nie wieder bist Du so jung wie heute. Also feier das Leben! VlG, Nadine
Das ist sehr gut möglich, dass sich das alles nach hinten verschoben hat. Wir werden ja auch immer älter und bleiben immer länger fit. 60jährige heute haben mit den 60jährigen vor 20-30 Jahren nicht mehr viel gemeinsam.
Hallo Ilona,
sehr spannender Beitrag. Ich finde ja, dass du eigentlich alles Entscheidende in diese einfachen Sätzen geschrieben hast: „Nach meiner jetztigen Arbeit kommt eine neue. Nach meinem jetzigen Wohnort wird ein neuer kommen. Wo? Wer weiß das schon… wir werden das schon sehen.“
Im Grunde höre ich das auch alle Offline-Psychologinnen sagen, denen ich begegne. Die starre Orientierung an Sicherheits- und Gewohnheitszielen ist der hartnäckigste Feind des Glücks.
Den Begriff Midlife Crisis sollte man vielleicht in Midlife Reboot oder so ähnlich umbenennen, weil solche Phasen eigentlich Türen (und große Tore) öffnen können.
Das einzige, was man an den oft belächelten Ü40-Selbstfindungs-Strategien a la Harley-Roadtrip und Yoga-Retreat „belächeln“ könnte, ist, dass man seinen Bedürfnissen nicht schon früher gefolgt ist.
Ich glaube, wer im Leben immer (mal besser, mal schlechter) auf sich selbst und nicht auf angekleisterte Glaubenssätze hört, kommt auch nicht unbedingt in eine Midlife Crisis, bzw. benötigt keinen Midlife Reboot (dramatische Lebensereignisse seien dabei mal ausgeklammert).
Mir geht es persönlich jedenfalls deutlich besser, seit ich darin bestärkt wurde, dass jede Veränderung gesund ist, wenn ich damit realistische Ziele und Träume verfolge.
Ein stetiger Fulllife Reboot sozusagen. Auch, wenn andere das als planlos oder whatnot abqualifizieren…
Und Props an Frau J.! 🙏🤗🙏
Liebe Grüße
Dennis
„Die starre Orientierung an Sicherheits- und Gewohnheitszielen ist der hartnäckigste Feind des Glücks.“
Sehr gut 👏👏 Ich glaube v.a. dass diese Ziele zu sehr darauf bauen, dass alles so bleibt, wie es ist. Ein Jobverlust ist da eine Katastrophe. Und wenn das auch für mich natürlich nicht schön ist, so wäre es doch kein Untergang. Ich zahle nichts ab, ich bin nicht örtlich gebunden und ich habe keine Verantwortung für eine Familie, die auf mein Gehalt angewiesen ist.
Wenn ich hier nichts mehr habe, dann bewerbe ich mich halt einfach woanders… mir gibt diese Flexibilität mehr Sicherheit, als ein Haus und Hof es tun könnten. Denn dann wäre ich gebunden. Müsste ich gehen, würde ich das alles verlieren.
Gute Idee mit dem „Midlife Reboot“. Genau das ist es ja eigentlich. Manche – wie wir – machen das halt in regelmäßigen Abständen. Andere nur ein, zwei, drei Mal im Leben.
Und ja, Frau J. war super! Ich denke noch sehr oft an sie.