Deutsche Disziplin in Usbekistan

Als unsere Gruppe sich nach der Landung in Tashkent am Flughafen sammelte erklärte uns unser Reiseleiter: „Ich lese die Namen jetzt einmal in alphabetischer Reihenfolge vor und Sie stellen sich dann hintereinander auf. Merken Sie sich für den Rest der Reise, wer vor und wer hinter Ihnen steht.“

Aha! Na gut, er wird schon wissen, was er tut. Und so standen ca. 20 Deutsche, Schweizer, Österreicher und Luxemburger, die sich zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt waren, in einer kleinen Reihe in Tashkent am Flughafen und grüßten ein bisschen befangen den vor und den hinter ihnen Stehenden.

Dass unser Reiseleiter wirklich wusste, was er tat, zeigte sich einige Tage später.

Auf dieser Reise hatten wir zwei Inlandsflüge. Einmal von Tashkent nach Urgench / Chiwa und einmal von Urgench / Chiwa nach Buchara. Flug Nummer 1 war keinerlei Problem. Alles klappte wie am Schnürchen.
Flug Nummer 2 dagegen verlief nicht ganz nach Plan. Auch hier zeigte sich, wie gut es doch oft ist, einen Ortskundigen dabei zu haben. Er drängte uns, wirklich frühzeitig am Flughafen zu sein, denn er wisse aus Erfahrung, dass es oft sehr gut sei, unter den ersten zu sein, die einchecken wollen.

Und siehe da – der Flug war gecancelled. Es sollte ein anderer Flieger zur Verfügung gestellt werden, in den unser Gepäck bereits eingecheckt wurde. Zum Glück waren wir wirklich unter den ersten, die am Schalter standen – einige nach uns kamen nicht mehr rein.
Unser Gepäck war also bereits abgefertigt und wurde weggebracht – nur wir hatten noch immer keine Tickets. Es zog sich gut zwei Stunden hin, bis wir herausfanden, was das Problem war: Es gab für die gesamte Gruppe nur eine Buchungsnummer und wann immer der arme Mann am Schalter versuchte, die Tickets zu drucken, spuckte der Computer nur ein Ticket aus – und zwar das der ersten Person im Alphabet. Die anderen wollten und wollten einfach nicht gedruckt werden.
Wir wurden unruhig. Erstens entspannt langes Warten in einem klitzekleinen Aufenthaltsraum auf Dauer nicht, zum anderen fragten wir uns, was wohl mit unserem Gepäck ist, das ja bereits aufgegeben war. Mussten wir noch länger auf einen weiteren Flieger warten? Mussten wir zurück nach Chiwa ins Hotel – ohne Gepäck? Keiner wusste es.

Der Zeitpunkt des Abfluges rückte näher und näher und dem verzweifelt schwitzenden Mann am Schalter wurde es irgendwann zu bunt – und er begann, die Tickets per Hand auszustellen.
Sobald ein Ticket fertig war, drückte unser Reiseleiter es der jeweiligen Person in die Hand, die sofort losspurtete, um zum Gate zu laufen. Dort gab es natürlich erst noch eine Sicherheitskontrolle und die Sicherheitsbeamten verlangten unser Gruppenvisum, dass allerdings der Reiseleiter hatte, der ja mit der restlichen Gruppe noch am Check-in-Schalter stand.

Die Zeit drängte. In wenigen Minuten sollte der Flieger starten. Eine junge Frau aus der Gruppe rannte zurück, holte das Visum und kam damit wieder. Doch die Sicherheitsbeamten waren offensichtlich heillos damit überfordert, die zugehörigen Namen aus den vor ihnen hingehaltenen Pässen auf dem Gruppenvisum zu finden.
Nun wurde es aber wirklich eng. In weniger als fünf Minuten sollte unser Flug gehen. Wir schwitzen und fluchten innerlich. Konnten die nicht ein bisschen schneller machen?

Das war der Moment, als hinter uns im Laufschritt unser Reiseleiter auftauchte und schrie: „ALPHABETISCH AUFSTELLEN! ZACK ZACK ZACK!“ und wie von der Tarantel gestochen huschten 20 Deutsche, Schweizer, Österreicher und Luxemburger in eine alphabetisch sortierte Schlange und passierten so im Eiltempo die Sicherheitskontrolle – um gerade noch rechtzeitig, laufend, schnaufend und schwitzend, das startbereite Flugzeug zu erreichen.


 

Den Usbeken haben wir in diesem Moment wahrscheinlich eine Paradevorstellung der deutschen Zucht und Disziplin geboten. Leider hatte ich keine Zeit, mir anzuschauen, welche Gesichter sie machten. Ich lache jedenfalls immer noch, wann immer ich an diese Situation denke.


Mein Beitrag zu der lustigen Blogparade „Mein absurdestes Reiseerlebnis

0 Gedanken zu “Deutsche Disziplin in Usbekistan

  1. Das erinnert mich an den Flug nach/von St. Petersburg. Nicht wegen der Disziplin, aber eben wegen anderer Gepflogenheiten, die man nicht gewohnt ist, und die einen verunsichern.

  2. Lustige Geschichte und mindestens genau so absurd wie genial. Auf die Idee, alle in alphabetischer Reihenfolge aufstellen zu lassen, muss man erstmal kommen. Gewusst wie, würde ich sagen.

    Liebe Grüße,
    Wibke

  3. Ich schmeiß mich weg! 🙂 Wer hätte vorher gedacht, wie sinnvoll und nützlich die absurd erscheinende Anweisung werden würde. Herrliche Geschichte!

    LG
    Renate

    • ja, wer hätte das gedacht? Das Beste dran war, in welcher Situation und in welcher Eile das ganze dann ausgeführt wurde. Wenn wir uns in Ruhe einfach in eine Schlange gestellt hätten, wäre es sicher nicht so komisch gewesen 😀

  4. Das mit der Aufstellung nach Alphabet in Usbekistan kenne ich. Das ist üblich, wenn man mit einem Gruppenvisum reist und erleichtert die Arbeit bei der Abfertigung an den Grenzen oder eben bei Flügen. Bürokratie ist gut für manche lustige Geschichte.
    LG
    Ulrike

    • ja, das ist wahr 😀 Und dass es die Sache mit dem Gruppenvisum erleichtert, liegt ja eigentlich auf der Hand.
      Es war nur so herrlich, dass niemand von uns mehr an diese alphabetische Aufstellung gedacht hat und trotzdem alle sie noch parat hatten 😀

  5. Liebe Ilona,
    eine tolle Geschichte, spannend erzählt! Mir würde nie einfallen, Reisegäste alphabetisch zu reihen, obwohl das manche manchmal vorschlagen! In deinem Fall war diese Übung ja sehr hilfreich!
    Herzliche Grüße Andrea

    • ja, vielleicht ist das in Italien & Co auch nicht ganz so nötig? Ich glaube auch kaum, dass eine befreundete Reiseleiterin in Skandinavien das so macht 😀

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