Frauen reisen in den Orient – Teil 2: Interview mit Katharina von Diverettes

Katharina von Diverettes lebte etwa zwei Jahre in Ägypten und arbeitet dort als Tauchlehrerin. Doch ihre erste Begegnung mit dem Orient war keine angenehme – trotzdem zog es sie wieder zurück und sie hat sich nicht nur in ihren Tauchlehrer (ihren heutigen Ehemann) verliebt, sondern auch in die ägyptische Natur und dabei natürlich v.a. die Unterwasserwelt.
Auf ihrem Blog berichtet sie auch über Ägypten – nicht nur für Taucherinnen.


Erzähle uns erst einmal von deinen Reisen in den Orient:

Katharina: Mein Orient heißt vor allem Ägypten – und meine Reisen begannen nicht als Liebesgeschichte. Das erste Mal besuchte ich das Land 2002. Es war kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und somit waren die Preise unheimlich billig. Eine Woche Badeurlaub all inklusive mit Flug war billiger als alles was man in Spanien oder sonstwo in Europa hätte finden können. Also unternahmen mein Partner und ich die Reise nach Hurghada – und schworen anschließend nie wieder zurück zu kommen. Pauschal und nur im Resort rumliegen war nicht meine Vorstellung von Reisen – dafür konnte Ägypten nichts. Doch ich erlebte eine Aufdringlichkeit, Anmache trotz langer Kleidung, und Geldscheffelei, die ich vorher noch nicht kannte. Das prägte mein Bild von dem Land für lange Zeit.

Umso skeptischer war ich als zwölf Jahre später die Überlegung aufkam es doch nochmal zu probieren mit dem Orient. Ich plante meinen ersten richtigen Tauchurlaub. Eine Woche im Frühling. Von Deutschland aus ist Ägypten in diesem Fall eine logische Schlussfolgerung. Diesmal mied ich Hurghada und besuchte das sehr viel kleinere und stillere Marsa Alam. Und so begann in einem kleinen Tauchhotel eine Reise, die mein komplettes Leben verändern sollte. Es herrschte eine familiäre Atmosphäre, die mich als Alleinreisende sofort willkommen hieß, das trocken heiße Klima, die Stille und Abgeschiedenheit, all das war Balsam für meine Seele. Doch was mich unter Wasser erwartete war wie in einem Traum. Eine Woche verging wie im Flug. In der letzten Nacht saß ich auf meinem Balkon, schaute in den unglaublichen Sternenhimmel über mir und wusste nur eins – ich wollte nicht zurück.

Und so blieb es nicht nur bei der einen Woche. Es folgten zwei weitere nur zwei Monate später. Dann drei Monate und nicht einmal ein Jahr nach meinem ersten Urlaub in Marsa Alam kündigte ich meinen festen, sehr gut bezahlten Job, meine Wohnung in Berlin und zog in die Wüste.

Ganz ohne Perspektive war das natürlich nicht. Zum einen ging meine Liebe zum Tauchen soweit, dass ich erst meinen Divemaster und dann meine Tauchlehrerausbildung machte. Und zum anderen traf ich einen  Mann – ganz nach Klischee meinen Tauchlehrer. Doch so sehr ich – aus gutem Grund – zur Vorsicht bei solchen Beziehungen rate, es kann auch gut gehen. Heute sind wir verheiratet und auch wenn es uns beide in andere Teile der Welt zieht, werden wir wohl immer wieder nach Ägypten zurück kehren.

Wie kamst Du auf die Idee einer Reise in den Orient und was ließ dich zurückkehren?

Katharina: Anders als andere Orientreisende, die vielleicht von den bunten Soukhs, dem geschäftigen Treiben, den antiken Kulturgütern und den gastfreundlichen Menschen angezogen werden, ist es vor allem die Natur, die mich an Ägypten so fasziniert.

Als leidenschaftliche Taucherin ist es die unglaubliche Unterwasserwelt des Roten Meeres, die mich nicht mehr loslässt. Du gehst knietief ins Wasser und schon siehst Du die ersten leuchtenden Korallen und Fische um Dich herum. Es mag Gegenden auf der Welt geben, die einen noch immenseren Fischreichtum, noch faszinierendere Geschöpfe haben, aber das Rote Meer ist eine Schönheit, an die nur wenige ran kommen – und das fünf bequeme Flugstunden von uns entfernt.

Aber um ehrlich zu sein, es ist nicht nur die bunte Vielfalt des Meeres. Auf dem Trockenen herrscht mit der Wüste zwar Kontrastprogramm, aber auch das genieße ich. Die Wüste reicht soweit das Auge sehen kann, doch mit ihren einfachen Strukturen überfordert sie nicht. Ich schaue mich um und entspanne mich. Sie ist komplexitätsreduzierend, anders kann ich es nicht beschreiben. Wenn ich aus dem hektischen und stressigen Berufsleben zurück in die Wüste um Marsa Alam kam, war es als könnte ich wieder tief und frei atmen.

Seit zwei Jahren lebe ich nun mit einigen Unterbrechungen für Reisen nach Deutschland und auf die Philippinen in Ägypten. Diese Zeit hat mich gelehrt, dass ein einfaches Leben glücklicher machen kann als ein mit materiellen Dingen vollgestopftes.  Ich möchte diese Zeit nicht missen, doch auf Dauer reicht die Faszination nicht, um hier leben zu wollen.

Wie erging es Dir als Frau auf deinen Reisen? Welchen Eindruck hattest Du allgemein von der Situation der Frauen?

Katharina: 2013 veröffentlichte die UN einen Report dass 99% aller Ägypterinnen bereits Opfer sexueller Nötigung waren. Ob sie dabei „leicht“ bekleidet oder im Niqab unterwegs waren, spielt kaum eine Rolle. In Teilen der Bevölkerung herrscht immer noch der Glaube vor, dass Männer sich gegenüber Frauen verhalten können, wie es ihnen passt. Auch Ausländerinnen bleiben davon nicht verschont. Es ist mir schon passiert, dass ich eine lange gerade Straße entlang gehe und an jedem zweiten Geschäft blöd angequatscht worden bin. Das klingt im ersten Moment noch nicht mal unfreundlich „hey, how are you?“, „where are you from?“, „you are so beautiful“. Doch wenn man sich darüber bewusst ist, dass es hier als respektlos und unhöflich gilt, eine fremde Frau einfach so anzusprechen, bekommt das ganze sehr schnell einen anderen Touch.

Das sind die Statistiken und negativen Erlebnisse von denen Frau nur allzu oft in Zusammenhang mit Ägypten hört und gleichzeitig habe ich mich in den letzten zwei Jahren so gut wie nie unsicher gefühlt. Wie das zusammen passt? Die nervigen Catcalls, die ich selbst erlebt habe, waren fast ausschließlich in Hurghada, eine Touristenhochburg, wo leider nur allzu oft Frauen auf genau diese Sprüche reagieren.

In Marsa Alam wiederum konnte ich mich frei und allein bewegen ohne dass mich jemand ansprach. Auch in Kairo und Dahab habe ich nie eine unangenehme Situation erlebt. Es kommt sehr darauf an, wo man als Frau unterwegs ist, was man erlebt. Mit ägyptischen Frauen wird man als Reisende kaum ins Gespräch kommen, es gibt sie natürlich auch auf den Straßen, aber kaum in Hotels und die wenigsten sprechen Englisch. Es gibt mit Sicherheit viele starke Frauen hier, doch tauschen möchte ich mit ihnen nicht. Ägypten bleibt eine Männergesellschaft und von unverheiratete Frauen wird normalerweise erwartet, dass sie bei ihren Eltern wohnen. Verheiratete Frauen können zwar arbeiten gehen, gleichzeitig wird von ihnen aber auch erwartet, dass sie den Haushalt mehr oder weniger allein schmeißen.

Als Reisende wird man mit all dem kaum in Kontakt kommen, es bleibt eine Parallelwelt neben dem Urlaub.

Hattest Du vor dem Aufbruch Vorurteile? Wurden diese eher bestätigt oder widerlegt?

Katharina: Meine Vorurteile basierten vor allem auf meinem ersten Urlaub in Hurghada. Heute weiß ich, dass dies keineswegs repräsentativ für Ägypten ist. Viel hat mit Bildung und dem zu tun, was das Management von Hotels oder Tourenanbietern zulässt. Das kleine Tauchhotel in dem ich für meinen zweiten Urlaub abstieg hatte eine klare Policy was respektvolles Verhalten gegenüber Frauen anging. Aufdringlichen Mitarbeiter droht die Kündigung, doch nötig war das so gut wie nie, denn die Mehrheit der Männer verhält sich gegenüber Frauen dann eben doch respektvoll.

Es mag meinerseits weitere Vorurteile gegenüber dem politischen System und dem Nationalismus hier geben, die ich bisher mehr bestätigt als widerlegt sehe. Von Reisen in das Land würde ich deswegen aber nicht abraten – im Gegenteil, nicht nur die Reisende erhält neue Perspektiven wenn sie in neue Länder aufbricht, sie hinterlässt immer auch neue Eindrücke und Perspektiven für die, denen sie begegnet.

Hast Du Tipps für andere weibliche Orientreisende?

Katharina: Auch für Frauen eignet sich Ägypten gut als Reiseland und niemand braucht sich abschrecken zu lassen. Ägypten ist jedoch generell weniger auf Individualreisende ausgelegt, die durchs Land reisen möchten. Nichts ist unmöglich, doch ohne Arabischkenntnisse ist es alles andere als einfach. Es gibt ein Fernbussystem, das auch eine englischsprachige Website hat, doch an den Verkaufsschaltern wird man sich häufig mit Händen und Füßen verständigen müssen.

Leichter ist es direkt in einem Hotel zu buchen und von dort Touren zu machen – vergleichen und nachfragen sollte man aber auf jeden Fall. Gerade in den großen Hotels werden Informationen zu Touren angegeben, die nicht korrekt sind – z.B. was Reisezeiten oder Kosten während der Tour angehen.

Ich würde immer auf kleinere Hotels setzen und vorher gut im Internet auf den gängigen Bewertungsportalen recherchieren. Für Taucherinnen ist und bleibt Ägypten ein Traum – und manchmal wird aus einem Traum gleich ein anderes Leben.

 


Lesetipps: Artikel über den Orient auf Katharinas Blog Diverettes:

Über meine Erfahrungen in Ägypten habe ich einige Artikel auf meinem Blog Diverettes geschrieben, die nicht nur für Taucherinnen interessant sind.

So finden Leserinnen einen Survival Guide für Kairo , einen ausführlichen Ratgeber zu Marsa Alam und zehn Dinge, die sie in Dahab auf keinen Fall verpassen sollten.


Alle Artikel der Reihe:

Teil 1: Wenn Frauen ohne Männer reisen
Teil 2: Interview mit Katharina von Diverettes
Teil 3: Interview mit Weltenbummlerin Ivana
Teil 4: Ein Semester in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ein Gastbeitrag von Alexandra von Itinera Magica
Teil 5: Interview mit Sabrina von Felibrina
Teil 6: Als Frau mit dem Auto durch den Orient. Ein Gastbeitrag von Tina von Der Taucherblog
Teil 7: Interview mit Esther von In 80 Tagen um die Welt
Teil 8: Interview mit Stefanie von A World Kaleidoscope

 

0 Gedanken zu “Frauen reisen in den Orient – Teil 2: Interview mit Katharina von Diverettes

  1. Pingback: Neue Serie: Frauen reisen in den Orient | wandernd

  2. Das Interview kommt ja wirklich wie gerufen, da ich mich auch gerade sehr für eine Reise nach Ägypten interessiere!
    Es ist wirklich tragikomisch, wie sich dieses Muster durch die typischen Urlaubsländer des Orients zieht: in den großen Resorturlauber-Städten, sei es Agadir (Marokko), Side (Türkei) oder eben Hugharda, prallen die Massen an kulturignoranten Westlerinnen auf die „einfache“ lokale Bevölkerung, die für die gut bezahlten Saisonjobs aus den hintersten Provinzdörfern anreisen und deren Bild von weißen Frauen womöglich durch fragwürdigen Sendungen im Satellitenfernsehen geprägt wurde… das kann halt nicht gut gehen.
    Die Leute glauben mir immer nicht, dass ich in 7 Wochen Überlandreise durch die Türkei nicht ein einziges mal belästigt wurde und ich auch in den Basaren von den Händlern nie aufdrängliches Verhalten erlebte – die Urlaubsorte sind eben einfach nicht repräsentativ für das Land.

    • Noch dazu sind an den Urlaubsorten ja durchaus auch öfter mal Westlerinnen unterwegs, die für ein Abenteuer offen sind. Das wissen auch die Burschen – und es festigt dann ihr vorheriges Bild von den „leicht zu habenden“ Westlerinnen.

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