Rauhnächte und Dreikönigstag: Traditionen rund um die Zeit zwischen den Jahren

Die Rauhnächte sind die 12 Nächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag am 6. Januar. Sie gehörten schon immer zu meinen liebsten Zeiten im Jahr. Der Stress der Weihnachtsvorbereitung lässt nach, die eigentliche Weihnachtszeit bricht an. Häufig kehrt man – zumindest für einige Tage – nach Hause zurück und trifft die Familie und alte Freunde wieder.

Sie ist gefüllt mit gemütlichem Herumlungern im trauten Kreise, viel Essen und hoffentlich doch einiger Harmonie.
Was heute oft nicht mehr jedem so bewusst ist: Diese knapp zwei Wochen sind seit jeher symbolisch aufgeladen. Allein die heute noch geläufige Bezeichnung „zwischen den Jahren“ macht dies deutlich. Das alte Jahr ist noch nicht ganz zu Ende, das neue hat noch nicht wirklich begonnen. Noch geht nicht alles seinen normalen Gang. Und auch gerade das Ende der Rauhnächte ist mit einigen Traditionen verknüpft.

Die Wilde Jagd in den Rauhnächten

In dieser dunklen Zeit des Jahres – so glaubte man früher – zog die Wilde Jagd durchs Land, angeführt von Odin und/oder Frigg. In germanischen Traditionen wollte man die Wilde Jagd wohl vor allem gnädig stimmen und ihren Segen für Haus und Hof erbitten. In der christlichen Tradition fürchtete man die heidnische Wilde Jagd natürlich eher und hoffte, sie möge einen verschonen und woanders vorbeiziehen.

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Die Wilde Jagd„von Peter Nicolai Arbo [Public domain], via Wikimedia commons

Zwischen den Jahren: Geister, Göttinnen und Hexen

Alles in allem sind diese Tage sehr speziell.  Noch heute herrscht „zwischen den Jahren“ eine eigene Stimmung. Wie schrieb es kürzlich jemand auf Facebook: Man weiß nie, ob es jetzt Dezember oder Januar, Montag oder Sonntag ist.
Und viele Mythen und Legenden ranken sich um diese Zeit. So soll sie besonders gut für Orakel geeignet sein, da die Wand zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt angeblich nun besonders dünn ist. Egal wie abergläubisch man sein mag: An Silvester, ziemlich genau in der Mitte der Rauhnächte also, wird nach wie vor wie wild orakelt – und durch Lärm (Silvesterknaller!) sollen böse Geister vertrieben werden.
Meine Großmutter war auch nach wie vor der Überzeugung, dass man in dieser Zeit keine Wäsche waschen und sie schon gar nicht draußen aufhängen sollte. Natürlich fürchtete sie sich nicht mehr davor, dass sich die Wilde Jagd darin verfangen und deshalb wütend werden könnte, aber die Idee, während der Rauhnächte zu waschen war ihr dennoch zuwider. Diese Idee, die Haushaltspflichten ruhen zu lassen, könnte auch daher rühren, dass Frau Holle (ein anderer Name für Frigg bzw. die Perchta) die Schutzherrin der fleißigen Hausfrauen und Spinnerinnen war. Man denke nur an das Märchen der Gebrüder Grimm, bei dem sie die fleißige Tochter reich belohnt, während die faule bestraft wird.

Die eigentliche Idee dahinter ist natürlich noch einmal eine andere:
Es ist die dunkelste Zeit des Jahres. Die Natur fährt runter, die landwirtschaftlich geprägten Gesellschaften, denen wir und die meisten unserer Traditionen entstammen, haben die arbeitsärmste Zeit. Gleichzeitig fährt auch unser Körper runter, weil die Sonne fehlt. Das ist der Grund, warum genau die dunkle Zeit die „stade Zeit“ sein sollte. Ursprünglich war das einfach die Zeit, in der die Menschen sich zurückzogen und es ruhig angehen ließen. Die Arbeit sollte ruhen, alle Räder sollten stillstehen – auch die Spinnräder. Und ebenso sollte eben auch keine Wäsche gewaschen werden, denn Wäsche waschen war echte Schwerstarbeit damals.

In Italien kommt in der Nacht auf den 6. Januar die Hexe Befana, die den guten Kindern Geschenke bringt. In deutschen Gegenden gab es früher die Perchta (ein anderer Name für Frau Holle), die – nachdem sie während der Rauhnächte unterwegs war – nun in der letzten Rauhnacht ebenfalls Geschenke verteilt. Die bösen Kinder bekommen allerdings nur Kohlen.

Brauchtum in den Rauhnächten: Räuchern, Aperschnalzen, Stärk‘ Antrinken

Sehr populär ist es auch heute noch v.a. im bayerisch-österreichischen Raum und in Franken (aber sicher auch in anderen katholischen Gegenden), Haus und Hof zu räuchern. (link zu youtube)

Auf dem Land geht man wahrscheinlich noch häufiger selbst mit Räucherwerk durch Stuben und Ställe. In den katholischen Gegenden kennt man zudem die Sternsinger, als Heilige Drei Könige verkleidete Kinder, die singend und Weihrauchfassschwenkend von Haus zu Haus ziehen und mit Kreide einen Segen an der Tür hinterlassen. Auch das passiert am Ende der Rauhnächte. Denn mit dem Ende dieser Zeit „zwischen den Jahren“ beginnt nun auch das neue Jahr erst wirklich. Gelegentlich wird dieser Tag deshalb auch als „Hochneujahr“ bezeichnet.

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Sternsinger aus dem Bistum Eichstätt beim Neujahrsgottesdienst 2016 im Petersdom. (Romano Siciliani/Kindermissionswerk)

Einen ganz speziellen Brauch habe ich vor Jahren bei einem Silvesteraufenthalt auf einem Bauernhof beobachten können: Das Aperschnalzen. Dabei vertreibt eine Gruppe durch rhythmisches Schnalzen mit Peitschen böse Geister. Das Aperschnalzen – so erklärte uns die Bäuerin – darf nur ab Weihnachten bis Fasching ausgeführt werden, geht also über die eigentliche Zeit der Rauhnächte hinaus, und es gibt offenbar richtige Wettbewerbe.
Bei unserem Aufenthalt in Oberteisendorf im Berchtesgadener hatten wir das Glück eine Gruppe beim Üben beobachten zu können. Die Bildqualität meines Videos auf youtube ist leider nicht die Beste, aber das Geräusch ist gut zu hören (ab Sek. 16).

In meiner oberfränkischen Heimat hat sich für den Beginn des neuen Jahres auch noch ein anderer Brauch erhalten: Das Stärk‘ Antrinken. Die Idee dahinter ist simpel: Man trifft sich mit Freunden und Familie, um sich für das kommende Jahr zu stärken, indem man gemeinsam etwas trinkt.

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Stärk‘ Antrinken im Schlenkerla in Bamberg. (c) FrankenTourismus

Dass die Bamberger ein spezielles Verhältnis zum Bier haben, wissen meine Leser ja bereits. Oder wie es auf der Seite „Braukultur Franken“ heißt:

Da der Franke an sich in seinen Traditionen verwurzelt ist und er gerne Bier trinkt, wappnet er sich gegen alles Unheil des neuen Jahres, indem man sich in geselliger Runde Kraft und Gesundheit, im Volksmund „Stärk“, antrinkt.

Ja, Bier ist das vorrangige Mittel, um die „Stärk“ für das neue Jahr zu erhalten. Für gewöhnlich wird es am Vorabend des 6. Januar – oder manchmal auch am 6. Januar selbst – getrunken  und meist nutzt man dazu die Winterbockbiere, die so ziemlich jede Brauerei im Bamberger Land anbietet. In meiner Familie wiederum war es üblich, sich zu diesem Zweck um einen großen Kessel Punsch zu versammeln. Wahrscheinlich hat auch jede Familie so ihre ganz eigenen Traditionen.
Wichtig ist nur, dass es in geselliger Runde passiert – denn wer möchte schon ein gesundes und kraftvolles, aber einsames neues Jahr erleben?


Weitere Hinweise:

 

10 Gedanken zu “Rauhnächte und Dreikönigstag: Traditionen rund um die Zeit zwischen den Jahren

  1. Ich liebe diese Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr auch ganz besonders. Alles ist so schön ruhig und heimelig. Das ist auch eine der wenigen Zeiten im Jahr, wo wir nur sehr, sehr ungern wegfahren (außer zur Familie), um diese Gemütlichkeit zu Hause auszukosten.
    Es bewegt sich so wenig. Auch auf Arbeit. Man kann, in meiner Branche, alles schön ins neue Jahr schieben und alle haben dafür Verständnis, denn die Geschäftspartner arbeiten irgendwie auch nicht mehr so richtig.
    Für uns ist diese Zeit auch oft eine Zeit fürs Pläne schmieden.
    Die Historie war für mich neu. Ja genau genommen auch das Wort Raunächte. Manchmal würde ich doch gern im Süden Deutschlands wohnen. Es kommt mir viel traditioneller vor. (Die unglaublich vielen Feiertage beweisen es. Berlin hat ja leider die wenigsten 🙁 )
    Das deine Oma keine Wäsche in der Zeit gewaschen hat finde ich „lustig“. Ist ja ne ziemlich lange Zeit. Da musste man gut Vorrat anhäufen. Hihi.

    Vielen Dank für diesen kleinen Exkurs in die alten Traditionen und Geschichten. 🙂

    • Meine Mama hat oft „heimlich“ gewaschen, so dass meine Oma das nicht mitbekommen hat 😉 Ich denke, die Tradition stammt aus einer Zeit, wo man noch nciht alles nach einmal Tragen gewaschen hat. Meine Oma hat das dann zwar schon längst – aber dafür hat meine Mama ja dann auch heimlich gewaschen 😉

      Ach, Traditionen habt ihr da oben auch. Vielleicht sind sie weniger präsent und werden weniger gelebt? Aber geben tut es sie sicher genauso.
      Wär doch mal was für eine Spurensuchen? 😉

  2. Liebe Ilona, nicht nur in Berlin sind “Raunächte” unbekannt, auch hoch im Norden kennen wir die nicht. Hier gibt es auch keine wirklichen Bräuche zum Jahreswechsel, jedenfalls keine, die ich kennengelernt hätte. Nur die Wäsche bleibt hier auch schmutzig und drinnen und „zwischen den Jahren“ ist auch hier ein geläufiger Ausdruck. Die „Stärk“ fände ich ja mal einen schönen Brauch, den Ihr exportieren solltet! Dir ein frohes Neues Jahr! Ulrike

    • Wir sind ja schon so schlecht darin, unser Bier zu exportieren! 😀 Naja, liegt sicher auch daran, dass das fast alles kleine Familienbrauereien sind, die einfach nicht für den Export, sondern für die eigene Wirtschaft brauen …. aber jetzt hab ich den Brauch ja schon ein bisserl über die Grenzen Frankens hinweg bekannt gemacht. Du darfst ihn gerne aufgreifen 🙂
      Find ich spannend, dass der Begriff Rauhnächte bei euch unbekannt ist.

  3. Das ist ja ein schöner Artikel, ich finde es echt spannend, wie die Raunächte in verschiedenen Regionen Bestand haben. Bei mir daheim in Niederbayern findet die letzte Raunacht vom 5. auf den 6. Januar statt. Mit dabei sind Böllerschützen, Aperschnalzer und einige Perchten, die durch die Straßen ziehen. Wenn man von ihnen berührt wird, bringt das Glück fürs nächste Jahr und mit großen Kuhglocken werden dann die Geister vertrieben. Das Ganze gipfelt dann darin, dass eine Strohpuppe verbrannt wird, die symbolisch für böse Hexen und Geister steht. Klingt schon etwas makaber aber ich finde diese Tradition total interessant und die Veranstaltung ist stimmungsgeladen. 🙂
    LG Silvia

    • Das ist auch spannend. Die Inhalte sind ja meistens sehr ähnlich (Geister vertreiben etc), nur werden sie unterschiedlich dargestellt. In Franken gibt es noch einen Brauch, den ich – wie mir danach erst auffiel hier im Artikel ganz vergessen habe – und das sind die Lichterfeste in der Fränkischen Schweiz, wo Prozessionen durch die Straßen ziehen und oben auf den Hügeln um den Ort werden Feuer angezündet. Sieht auch super aus.

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