Wien für Deutsche. Lektion 2: 10 Dinge, die ihr in Wien lieber nicht sagen solltet

Viel bemüht wird das – angeblich von Karl Kraus stammende – Zitat: „Was die Österreicher und die Deutschen trennt, ist die gemeinsame Sprache“. Zwar stammt das Zitat höchstwahrscheinlich gar nicht von Kraus, aber die Österreicher zitieren es sehr freigiebig.
Die Deutschen tun dies eigentlich nicht. Vielen Deutschen ist normalerweise weitaus deutlicher klar, dass man innerhalb Deutschlands nicht einheitlich spricht („Bundesdeutsch“ – als Gegenstück zum „Österreichischen Deutsch“ – ist ein in Österreich ebenso oft gebrauchtes Wort wie das angebliche Kraus-Zitat) und dass Bayern auch sprachlich mit den Österreichern mehr gemein haben, als mit den Mittel- oder Norddeutschen.

Trotzdem… ein paar Dinge gibt es, die man als Deutscher in Österreich lieber nicht sagen sollte. Völlig egal, ob ihr aus Nord-, West-, Ost- oder Süddeutschland kommt.

Um es vorneweg zu sagen: natürlich DÜRFT ihr diese Worte und Sätze sagen. Aber das kann einerseits zu Missverständnissen führen – oder andererseits eurem (österreichischen) Gegenüber sehr sauer aufstoßen.
Eigentlich gelten all diese Hinweise für ganz Österreich – zumindest soweit ich weiß. Da ich allerdings nicht behaupten möchte, Österreich als Ganzes so gut zu kennen, überschreibe ich den Artikel nur mit „Wien“. Denn dort gilt dies ganz sicher!

Genug der Vorrede. Hier die 10 Dinge, die ihr in Wien lieber nicht sagen solltet:

Tüte

Aus irgendeinem Grund haben sämtliche Österreicher, die ich getroffen habe, eine ganz massive Abneigung gegen dieses Wort. Tüte gilt quasi als „urdeutsch“, als „Piefkinesisch de luxe“.
In Österreich sagt man „Sackerl“ (ja, man sagt das wirklich und nein, die Österreicher finden daran absolut nichts lustig  😉 Und jedem Deutschen, der sich am Anfang noch mühsam das Lachen verkneift, wird dieses Wort bald in Fleisch und Blut übergehen). Wenn euch das Wort Sackerl so gar nicht über die Lippen will, probiert es mit „Beutel“. Das Wort nutzen die Österreicher zwar auch nicht wirklich, aber meiner Erfahrung nach haben sie dagegen nicht eine so große Aversion.

Kaffee mit Betonung auf A 

Während man in Deutschland gerne in ein Café (mit Betonung auf E) geht, um dort einen Kaffee (mit Betonung auf A) zu trinken, verwendet man in Wien ausschließlich die Aussprache mit Betonung auf E (also wie im Französischen: Café).
Auch der KAffee stößt als urdeutsche Aussprache-Form den Wienern sauer auf. Und wer gar noch den Fehler macht, in einem Wiener Kaffeehaus einfach „einen ‚KAffee“ zu bestellen, der erntet garantiert ein Naserümpfen des Kellners. Im Wiener Kaffeehaus gibt es unzählige Kaffeevariationen – sucht euch eine davon aus und bestellt direkt die. Eine Auswahl, die für den Anfang genügen sollte, findet ihr hier.

Brötchen

Noch so ein „piefkinesisches“ Wort. Der Unterschied ist hier, dass ihr dafür auch in Altbayern scheel angesehen werdet. „Semmel“ oder „Semmerl“ ist das Wort, das ihr braucht.

„Österreicher/Wiener reden so niedlich“ 

Uff, das hört wohl niemand gerne. Kein erwachsener Mensch lässt sich gerne als „niedlich“ bezeichnen. In diesem konkreten Fall kommt noch dazu, dass Deutschland eine Art „ungeliebter großer Bruder“ Österreichs ist, neben dem man sich sowieso immer nie ganz ernst genommen vorkommt. Wenn nun dieser ungeliebte große Bruder soetwas sagt, dann geht das dem kleinen Bruder erst recht gegen den Strich.
Spart euch dieses fragwürdige Kompliment.
Ihr könnt allerdings davon ausgehen, dass man – zumindest hinter eurem Rücken – eure Art zu sprechen (ohne jede Intention, ein Kompliment machen zu wollen) für grauenvoll hält.
(Übrigens: Wenn ihr euch lange genug in Wien aufgehalten habt, um auch die Wiener Originale aus den sogenannten eher „bildungsfernen“ Schichten reden zu hören, werdet ihr eh wissen, dass Wienerisch nicht automatisch bildschön und melodisch sein muss 😉 Da gibt es viele Abstufungen)

Hackfleisch. Oder noch schlimmer: Hack

Meine erste Woche in Wien. Ich stand an der Theke beim Metzger – pardon: Fleischhauer! – und wollte mir etwas Hackfleisch kaufen. Damit ich nicht ganz so hochdeutsch klang, dachte ich, es sei eine gute Idee, ein paar dialektale Anklänge einzubringen – Anklänge meines Dialektes wohlgemerkt und bestellte „200g Hack“. Das rief einen völlig verwirrten Blick der Verkäuferin hervor. Unter HAK versteht man in Österreich die Handelsakademie.
Hackfleisch verstand sie zwar, belehrte mich aber gleich mit angewidertem Gesichtsausdruck, dass „man hier Faschiertes sagt“. Also, spart euch den abschätzigen Blick und sagt lieber gleich „Faschiertes“.

Tesa

Vergesst es! Sie wissen nicht, was ihr wollt. Natürlich kennen Österreicher die Marke Tesa, aber dass man, wenn man nach einem Tesa fragt, einfach nur ein stinknormales durchsichtiges Klebeband will und nicht irgendetwas ausgefalleneres, haben sie selten verstanden. Was wir in Deutschland Tesa nennen, ist in Österreich das Tixo [Danke an den Hinweis an Myriade. Natürlich ist es DAS Tixo!]

„Hitler war Österreicher“

Ach je, was ist das für eine Unsitte, immer und überall von Hitler zu sprechen? Offenbar haben wir Deutschen es so satt, dass wir in aller Welt auf Hitler angesprochen werden, dass wir uns freuen, auch endlich einmal jemanden auf Hitler ansprechen zu können.
Ich kann euch nur sagen: Inzwischen ist das eigentlich allgemein bekannt. Österreicher wissen, dass Hitler aus Österreich stammte – und wenn ihr an ein verleugnendes Exemplar geraten solltet, dann wird derjenige euch darüber aufklären, dass Hitler aber nur in Deutschland so groß werden konnte (womit diese Spezies aussagen will: In Österreich gabs gar (oder fast) keine Nazis). Das ist aber die Minderheit.
Den meisten Österreichern ist das durchaus bewusst – und genau wie die Deutschen haben sie eigentlich keine Lust, ständig darüber zu reden.

Stuhl

Doch doch, natürlich dürft ihr „Stuhl“ sagen. Ihr solltet euch nur dessen bewusst sein, dass der Wiener dabei eher an „Kot“ denkt als an Sitzmöbel.
Das, was wir in Deutschland „Stuhl“ nennen, nennt der Wiener „Sessel“. Und was wir Sessel nennen, heißt beim Wiener „Fauteuil“. Aber eigentlich ist es eher wichtig, diese Worte passiv zu beherrschen, sonst seid ihr ähnlich verwirrt wie ich, als mich im Restaurant zum ersten Mal jemand vom Nachbartisch fragte, ob ich „den Sessel“ noch bräuchte – und ich mich nur fragte: „Welchen Sessel???“

Schorle

Noch so ein Wort, bei dem der Wiener einen missmutigen Gesichtsausdruck aufsetzen wird. Als ich nach einem zweiwöchigen Deutschlandaufenthalt versehentlich ein „Apfelschorle“ bestellte, schauten mich meine österreichischen Begleiter völlig fassungslos an. Das Wort hatte ich wohl schon wirklich lange nicht mehr benutzt und es dauerte nach meinem Rückzug nach Deutschland eine Weile, bis es wieder völlig normal in meinen Sprachschatz aufgenommen wurde.
Sobald man in Österreich ist, tut man gut daran, es zu verbannen und durch eines der Worte „Spritzer“ oder „gespritzt“ zu ersetzen. Die Weißweinschorle etwa – in Österreich keineswegs ein Oma-Getränk! – heißt dort einfach nur „Weißer Spritzer“ und wer eine Apfelschorle möchte bestellt einen „Obi gespritzt“ (für andere Saftschorles halt „Traubensaft gespritzt“ oder ähnliches)

„Naja, wir sind halt nicht in Deutschland hier“

Zwar nicht so oft, aber doch ab und an habe ich von deutschen Touristen diesen Satz gehört, meist verbunden mit einem tiefen Seufzer. Normalerweise dann, wenn irgendwas mal nicht so lief, wenn der Sitz im Zug durchgesessen war oder etwas im Lokal nicht klappte.
Ganz ehrlich: So etwas kommt auch in Deutschland vor und es ist in Österreich NICHT an der Tagesordnung. Der Seufzer „Wir sind halt nicht in Deutschland hier“ klingt fast, als sei Österreich eine Art schlechter organisiertes Schwellenland, in dem halt vieles nicht so gut läuft wie in Deutschland.
Klar, diese Art von Arroganz haben durchaus auch Österreicher in (tatsächlich oder vermeintlich) weniger organisierten Ländern – ich glaube, Reisenden aus gut organisierten Ländern ist diese Arroganz insgesamt eigen – aber im Gegensatz zu vielen anderen Ländern verstehen euch die Leute dort. Lasst eure Arroganz nicht so sehr raushängen. Sie ist in dem Fall auch völlig unangebracht. Österreich ist nicht chaotischer, nicht weniger organisiert als Deutschland.


Soweit also meine Tipps, wie ihr häufige „Sprachfallen“ in Österreich umgeht. Habt ihr noch Tipps, was man in Österreich lieber nicht sagen sollte?

Ich freue mich, dass dieser Artikel auf so viel Interesse stieß. Kein anderer meiner Beiträge wurde je so oft kommentiert wie dieser hier. Allerdings habe ich jetzt beschlossen, die Kommentare zu schließen, denn was eigentlich mal als augenzwinkernder Beitrag zur deutsch-österreichischen Völkerverständigung gedacht war, war für manche eher eine Aufforderung, recht drastisch zu erklären, was „absolut gar nicht geht“ und wie seltsam/komisch/unmöglich nicht die jeweils anderen reden. Dabei wird gern genauso verallgemeinert, wie ich es schon in Wien erlebt habe und deshalb gleich in der Einleitung dieses Artikels aufs Korn genommen habe. Geographisch-dialektale sprachliche Eigenheiten sind keineswegs dumm oder sinnlos oder grauenhaft. Man sollte sich eher an der Vielfalt erfreuen.
Deshalb bleibt der Beitrag ab heute unkommentiert.

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145 Gedanken zu “Wien für Deutsche. Lektion 2: 10 Dinge, die ihr in Wien lieber nicht sagen solltet

  1. Hallo Ilona,
    danke für deinen interessanten Blogbeitrag, als südthüringer Fränkin ist es bei mir noch ä bissle gomblizierder 😂 – wir werden, zumindest im Osten von Deutschland, oft für Bayern gehalten 😎
    Ich bin auf der Suche nach österreichischen Dialektwörtern auch auf deinen Beitrag gestoßen. Ich schreibe gerade an einem Roman und darin gibt es eine Eigentümerin bzw. Wirtin eines Cafês [sic!] in Berlin. Die gute Frau stammt aber aus Wien, geht im Laufe der Geschichte auch wieder dorthin zurück und taucht nur ganz am Ende nochmal kurz auf. Und sie spricht einen (möglichst) breiten Wiener Dialekt.
    Ich habe mich selbst schon ans Lautmalen gemacht, habe aber das blöde Gefühl, dass ich das nicht hinkriege. Angesichts der regen Diskussion hier kam mir jetzt die Idee – und deshalb an dich und deine Leser die große Bitte – ob ich die Dialogzeilen der Wirtin hier posten könnte, damit Ihr sie für mich übersetzt? Es sind nicht sehr viele Sätze, sie könnten sich allerdings noch etwas ändern, weil ich noch am Schreiben bzw. Überarbeiten bin.
    Ich wäre für die Hilfe sehr dankbar und würde den Blog und den/die Helfer auch im Impressum erwähnen.
    Liebe Grüße 👋

    • Hallo Rieke, ich fürchte, dass die Leute, die hier vorbeikommen, nicht wirklich wieder vorbeikommen und auch nicht all die Kommentare lesen. Es ist tatsächlich nicht so trivial, einen Dialekt nachahmen zu wollen, den man selbst nicht spricht – und in dessen Umgebung man sich auch nciht aufhält. V.a. wenn der Dialekt dann möglichst breit sein soll.
      Ich würde es auf entsprechenden Foren oder Österreicher-Gruppen auf Facebook versuchen.

  2. Eins noch, ganz wichtig – und das eint Österreicher und Bayern: LECKER – das geht gar nicht! Ein fürchterliches, dummes, nichtssagendes und peinliches Wort!
    Wenn was gut schmeckt: Dann ist es gut! Oder: guat! Oder sogar ganz guat! Aber niemals lecker

    • das Problem mit Lecker hab ich tatsächlich noch nie verstanden… als Franke find ich vieles ziemlich lecker 😛
      Tatsächlich gings mir in dem Artikel auch darum, etwas auf die Schippe zu nehmen, wie sehr man andere Ausdrucksweisen doch herabwertet – völlig sinnlos und überflüssigerweise, wie ich finde. Denn man weiß ja, was gemeint ist. Man weiß auch, dass Leute an unterschiedlichen Orten unterschiedlich reden. Mir ist völlig schleierhaft, warum man sich nicht einfach versteht – im echten Wortsinne – statt die Vielfalt zu genießen oder auch unterhaltsam zu finden, in der Sprache das Trennende zu suchen. Das war nicht der Sinn des Beitrags hier und dazu dient auch der Kommentarbereich nicht, um seiner Abneigung auf sprachliche Eigenheiten zu frönen…
      Mir käms jedenfalls nicht in den Sinn, eine Doppel-Lautung wie „guat“ als völlig dumm und sinnlos zu bezeichnen. Obwohl sie keinesfalls sinntragend ist 😉

  3. Das Wort „lecker“ ist ein Wort das zwischen Deutschland und Österreich steht – nur leider verlieren wir gerade diese Match schon wieder – wie im Fußball. Immer mehr junge Össis verwenden lecker ganz ungeniert und haben kein anderes Wort mehr dafür. Die Attribute : gut, vorzüglich, ausgezeichnet, schmackhaft oder ganz einfach WUNDERBAR stehen uns Österreichern u.a. für die Beurteilung unserer großartigen Küche doch zu Verfügung. Lecker gilt, wenn überhaupt, für deutsches Essen wie Eisbein, Kohlrouladen oder Saumagen. Lasst uns bitte diese kleine Sprachregelung lebe die den alten Wein Satz von Karl Kraus bestätigen würde: Österreich und Deutschland unterscheiden sich vor allem durch die gemeinsame Sprache.

    • „Lasst uns bitte diese kleinen Sprachregelungen“? Niemand „nimmt“ sie euch aktiv. Das ist wohl eine Folge der größeren Vereinheitlichung der Medien, damit wird Vieles angeglichen. So wie ich mich neulich dabei ertappte „nice“ zu sagen, obwohl ich das ganz furchtbar finde. Aber auf einmal kam es aus mir raus…
      Die Medien, auch und besonders Social Media, sind dominiert von gewissen Standard-Sprachen. So wirkt für uns Amerikanisches Englisch „normaler“ als britisches Englisch – wir hören einfach mehr Amerikaner reden. Eine bedauerliche Entwicklung, die nicht nur österreichische Dialekte betrifft, sondern alle Arten von Dialekten.
      Die Worte „gut, vorzüglich, ausgezeichnet, schmackhaft oder ganz einfach WUNDERBAR“ gibt es in Deutschland übrigens genauso – auch für Essen … 😉

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