Seit 15 Jahren war ich nicht mehr in Lucca. In meinem florentinischen Monat habe ich es tatsächlich nicht ‚geschafft‘, die Stadt noch einmal zu besuchen – und so stand sie natürlich diesmal auf der Liste der zu besuchenden Orte. Und ich muss sagen, sie gefiel mir noch besser, als in meiner Erinnerung.
Vom Bahnhof aus musste man erst einmal die wirklich beeindruckende, unversehrte Stadtmauer passieren, um in die Altstadt zu gelangen. Und dort findet man schmale Gässchen, die noch immer im Großen und Ganzen dem schachbrettartigen Verlauf der Straßen der römischen Kolonie aus dem Jahr 180 v. Chr. folgen. Über 99 Kirchen und Kapellen gab es in dieser kleinen Stadt – viele davon heute natürlich profanisiert – und als einzige Stadt der Toskana blieb das kleine, beschauliche Lucca von den Medici unabhängig.
Folgt mir auf einen Spaziergang durch dieses sehenswerte Städtchen.
Inhalt
Die Stadtmauer von Lucca
Die Stadtmauer, die wir passieren müssen, um vom Bahnhof in die Stadt zu gelangen, ist wirklich riesig (auch wenn die 12m hohen Mauern auf dem Bild irgendwie viel kleiner wirken). Mitte des 15. Jahrhunderts wurde sie in ihrem heuten Ausmaß errichtet und blieb seither unversehrt. Im 19. Jahrhundert wurde die Verteidigungsanlage zu einer Art Park umgestaltet. Heute kann man gemütlich über die Mauern spazieren, radeln, Inliner fahren oder Joggen. Es gibt Lokale, in denen man sich niederlassen kann und das Ganze ist ein echtes Naherholungsgebiet, das zu einem Besuch in Lucca auf jeden Fall dazu gehört.
Was uns allen augenblicklich in Lucca auffiel, war die Tatsache, dass die Stadt von Touristenmassen verschont war. Es zogen zwar große Mengen an (italienischen) Schulklassen durch die Innenstadt, eine Nachfrage ergab aber, dass sie in den letzten Schultagen vor Ostern wohl eine Art Wandertag hatten. Abgesehen davon machte Lucca auf uns einen sehr beschaulichen und fast etwas verschlafenen Eindruck, so dass wir unweit des Domes gemütlich alleine im ‚Gastgarten‘ einer Enoteca ein spätes Mittagessen einnahmen. Dass wir sie ganz für uns hatten, lag aber eher an der ungewöhnlichen Essenszeit und nicht an der Qualität der Speisen.
Duomo San Martino und das Volto Santo
Wenige Schritte später stehen wir vor dem Dom San Martino. An den Heiligen Martin erinnert v.a. die Figur an der Fassade. Im Inneren verbirgt sich ein ganz anderes Heiligtum: Das Volto Santo – das Heilige Antlitz.
Beim Volto Santo handelt es sich um ein Kruzifix aus Nußbaumholz, bei dem der gekreuzigte Christus nicht als leidender Gekreuzigter sondern als Triumphator mit Tunika und Krone dargestellt wurde (die Krone wurde aber erst später hinzugefügt). Das Volto Santo wurde im Mittelalter hochverehrt und sein Bild wurde in ganz Europa verbreitet. Allerdings nicht immer mit der Verbindung zum Original in Lucca. So entwickelte sich – aufgrund der feinen, fast weiblichen Gesichtszüge des Bildnisses sowie der als weiblich angesehenen Bekleidung – im Norden die Legende der „Heiligen Kümmernis“ oder „Heiligen Wilgefortis“ (= lat. „tapfere Jungfrau“), einer christlichen Jungfrau, die von ihrem heidnischen Vater mit einem Heiden verheiratet werden sollte. Um sie für den Bräutigam unattraktiv zu machen, ließ ihr Gott einen Bart wachsen – und der erzürnte Vater ließ sie ans Kreuz nageln. Figuren der Heiligen Kümmernis findet man immer wieder einmal nördlich der Alpen. Wer mehr darüber wissen will, wie es vom Volto Santo zur Heiligen Kümmernis kam, kann dies hier nachlesen.
In der Vorhalle des Domes, an der Wand des Campanile findet man ein Fingerlabyrinth, das dem in der Kathedrale von Chartres entspricht. Hier ist es aber eben ein kleines Flachrelief auf Augenhöhe, das nicht durchschritten, sondern mit dem Finger durchfahren werden kann. Daneben steht die lateinische Erklärung:
„Dies ist das Labyrinth, das Daidalos aus Kreta gebaut hat und aus dem niemand herauskommen kann, der einmal drinnen ist; nur dem Theseus ist dies dank des Fadens der Ariadne gelungen.“
Eine Anspielung auf die griechische Mythologie an einer christlichen Wallfahrtskirche? Das Labyrinth, so erklärte mir eine Dame im Dom, stehe für die Welt und das Durchschreiten des Labyrinths damit für den Weg des Gläubigen durch die Welt hin zu Christus. Das Bild des Labyrinths, aus dem man nur mit Hilfe des Ariadnenfadens herausfinden kann, fände man an zahlreichen italienischen Wallfahrtsorten: Sie sind eine Art Leitfaden – eben Ariadnenfäden – durch diese sündige Welt hin zu Gott. So auch das Volto Santo in Lucca. (Mehr über die spirituelle Bedeutung des Labyrinths gibt es hier nachzulesen.)
San Michele in Foro
Nach einer Stärkung (s.o.) bummelten wir weiter, bis wir San Michele in Foro erreichten.
Die Kirche, die vom 11. bis 14. Jahrhundert erbaut wurde, entstand im Auftrag der Bürgerschaft von Lucca. Wie der Name verrät, war sie dem Heiligen Erzengel Michael geweiht – und steht an der Stelle, an der sich das römische Forum befunden hatte. Leider war die Kirche geschlossen – so dass ich sie erneut nicht von innen besichtigen konnte. Aber die Fassade allein ist mehr als einen Blick wert, denn jede der zahlreichen Säulen der Fassade ist anders gestaltet.
Oben auf dem Giebel steht die fast schon naiv-neuzeitlich anmutende vier Meter hohe Statue des Erzengels Michael, der starr und unbewegt den Drachen zu seinen Füßen tötet.
Torre Guinigi: DER Ausblick über Lucca
Ein an sich eher unspektakulärer 44m hoher Backsteinturm aus dem 14. Jahrhundert ist das Wahrzeichen der Stadt Lucca. Er wäre zumindest ziemlich unspektakulär, wenn nicht oben auf dem Dach uralte Steineichen wüchsen und wenn man nicht von dort eine großartige Aussicht hätte.
Wir hielten uns weit länger als eigentlich geplant auf dem Turm auf und genossen einfach das Lichtspiel der Abendsonne, so dass viele andere Sehenswürdigkeiten – etwa die Kirche San Frediano (zu sehen auf dem fünften Bild) – nur noch im Vorbeigehen begutachtet werden konnten. Aber das war es eindeutig wert… wir wären auch noch länger geblieben und hätten den Sonnenuntergang abgewartet, aber leider schloss der Turm bereits um 18.30 Uhr.
Keine weiteren Worte nötig, um die Stimmung zu beschreiben (immerhin war sie romantisch genug, dass wir dort oben einem Heiratsantrag beiwohnen durften). Nur einige Bilder:
Piazza dell‘ Anfiteatro: Der schönste Platz in Lucca
Wie bei San Michele in Foro ist auch hier der Name sprechend und verweist auf die römische Geschichte der Stadt. Die Piazza dell‘ Anfiteatro wurde auf den Grundmauern eines antiken Amphitheaters erbaut, genauer gesagt: Die Häuser stehen auf den Grundmauern der ehemaligen Zuschauerränge und umschließen den gesamten Platz. Die ovale Form der Anlage wird vom Torre Guinigi besonders deutlich, wie man oben auf dem letzten Bild sieht.
Diese besondere Anlage macht es allerdings schwierig, den Platz zu finden, denn anders als andere Plätze liegt er nicht offen da und man stolpert früher oder später sowieso über ihn. Nein, die Zugänge – die sich mit denen des antiken Amphitheaters decken – sind einfache Torbögen und leicht zu übersehen. Wir haben nach einigem Herumirren schließlich aufgegeben und nach dem Weg gefragt, um den Platz zu finden. Dort ließen wir den Tag dann im Pane & Vino bei einem Aperitivo ausklingen, bevor wir über die Stadtmauer zurück zum Bahnhof schlenderten.
Vorsicht: Der Weg über die Stadtmauer ist länger als man vermuten würde – wir kamen natürlich zu spät und waren dann – bedauerlicherweise 😉 – gezwungen, auf der Stadtmauer im Lokal San Colombano einen zweiten Aperitivo zu nehmen, bevor wir schließlich nach Hause fahren konnten. Vielleicht lag unsere Verspätung ja aber auch daran, dass der Ausblick von der Stadtmauer auf die untergehende Sonne doch gar zu schön war…
Anreise nach Lucca von Florenz
Lucca ist ein ideales Ziel für einen Tagesauflug von Florenz aus.
Mindestens stündlich geht ein Zug von Florenz Santa Maria Novella nach Lucca. Die Fahrt dauert ca. 1.20 Std.
Lucca lässt sich auch ideal mit Pisa kombinieren – so wie wir es gemacht haben. Man achte darauf, in Pisa nicht zum Hauptbahnhof (Pisa Centrale) zu fahren, sondern nach Pisa San Rossore, ein kleiner Nebenbahnhof, der aber nur wenige Gehminuten von der Piazza dei Miracoli entfernt liegt. Von diesem kleinen Bahnhof sind es dann nur 20min nach Lucca. Der Zug fährt zwei Mal in der Stunde
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Lucca war für uns letztes Jahr das „ultimative“ Kontrastprogramm zu Pisa. Das haben wir in unseren Artikeln „Zu Unrecht steht Lucca im Schatten von Pisa“ und „Vom Fluch und Segen des Schiefen Turm zu Pisa“ beschrieben. So war Pisa für uns eher enttäuschend und Lucca wurde auf unserer Tour in den Süden (an der Küste entlang) zu einem Highlight.
https://womolix.wordpress.com/2016/11/28/zu-unrecht-steht-lucca-im-schatten-von-pisa/
https://womolix.wordpress.com/2016/11/21/vom-fluch-und-segen-des-schiefen-turm-zu-pisa/
LG WoMolix
Ich mag die Piazza dei Miracoli ja schon. Die gefällt mir schon wirklich gut und ich finde das Ensemble dieser Gebäude wirklich extrem beeindruckend. Ansonsten ist Pisa – naja… eher langweilig. Und die Piazza ist natürlich sehr überlaufen.
<3 lucca, mein toskanisches lieblingsplätzchen! danke für die vielen hintegrundinfos!
ach so? Das wusst ich gar nicht. 🙂 Ich war seit meinem ersten richtigen Italienaufenthalt mit der Schule nicht mehr dort und war sehr überrascht, WIE gut es mir jetzt doch gefallen hat… geh ich auf jeden fall wieder hin
ich werde auch eines tages wiederkommen!
Neben Siena ist Lucca für mich einer der schönsten Ort in der Toskana.
https://blog.tegethoff.de/lucca/
https://blog.tegethoff.de/siena/