Die Brancacci-Kapelle in Florenz: Meisterwerk der Früh-Renaissance

Die Brancacci-Kapelle in Florenz liegt ein wenig abseits der touristischen Hauptroute an der Piazza Santa Maria del Carmine. Vergleichsweise (!) wenige Touristen kommen hierher, was allerdings auch daran liegt, dass der Zugang zur Kapelle relativ streng limitiert ist – v.a. jetzt (Frühjahr 2023), wo noch umfangreiche Restaurierungsarbeiten in der Kapelle vorgenommen werden.
Derzeit ist es möglich, auf die Gerüste zu steigen und die Fresken der Brancacci-Kapelle aus nächster Nähe, quasi auf Augenhöhe, zu bewundern. Eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen ließ, denn die Fresken in der Brancacci Kapelle von Masolino, Masaccio und Lippi haben  mich schon vor vielen Jahren sehr beeindruckt.

Das berühmteste Fresko aus der Brancacci-Kapelle: Die Vertreibung aus dem Paradies von Masaccio

Freunde der Freskenmalerei und der Früh-Renaissance kommen hier, in der sogenannten „Sixtinischen Kapelle der Frührenaissance“, voll auf ihre Kosten.
In diesem Artikel möchte ich euch einige Infos über die Kapelle, ihre Geschichte und die ihre Ausstattung mitgeben. Zudem Informationen über Tickets und Öffnungszeiten der Cappella Brancacci. Bitte beachtet dabei, ich bin keine Kunsthistorikerin. Ich bin Historikerin mit Begeisterung für Kunst. Möglicherweise nutze ich also nicht immer das Vokabular, dass Kunsthistoriker hier nutzen würden.

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Santa Maria del Carmine in Florenz: Kurze Geschichte von Kirche und Kloster

Santa Maria del Carmine ist eine Kirche in Oltrarno, also südlich des Arno gelegen. Sie liegt an der gleichnamigen Piazza und ist eine Kirche der Karmeliter (daher auch der Name: del Carmine). Die Karmeliter lassen sich seit 1267 in Florenz nachweisen, bereits 1268 wurde der Grundstein für die Kirche gelegt.
Kirche und Klosteranlage der Karmeliter blieben bis 1771 fast unversehrt erhalten – dann brannte die Kirche nieder. Lediglich die Querhausarme blieben erhalten und damit auch die Brancacci-Kapelle, die sich im rechten Querhausarm befindet. Es ist kein Zufall, dass die Kapelle gerettet wurde, denn schon im 18. Jahrhundert war man sich der Bedeutung der dortigen Fresken bewusst und unternahm gezielt Eingriffe, um die Kapelle vor den Flammen zu retten.

Die Kirche Santa Maria del Carmine präsentiert sich heute als barocker Bau aus der Zeit des Übergangs zum Klassizismus. Die Brancacci-Kapelle blieb zum Glück weitgehend unangetastet.

Wenige Jahrzehnte vor dem Brand war die Kirche bereits in einem sehr schlechten Zustand und es waren schon umfassende Umarbeitungen geplant oder begonnen worden als das Feuer ausbrach. Die gotischen Glasfenster im Langhaus waren entfernt worden und eine größere Änderung der Decke des Langhauses war in Arbeit.
Nur fünf Monate nach dem Brand begann man mit der Planung der neuen Kirche, die dem Architekten Giuseppe Ruggieri anvertraut wurde. 1775 war sie bereits fertiggestellt.

Die schmucklose Fassade von Santa Maria del Carmine

Die heutige Kirche präsentiert sich also als Barockkirche aus der Zeit des Übergangs zum Klassizismus. Die Fassade wurde allerdings nicht neugestaltet sondern ist bis heute die ursprüngliche schmucklose Fassade, wie man sie auch be San Lorenzo in Florenz findet.

Die Brancacci-Kapelle, Florenz: Meisterwerk der Früh-Renaissance

Die Brancacci Kapelle ist eine relativ kleine Seitenkapelle der großen Kirche Santa Maria del Carmine in Florenz, doch ihre kunsthistorische Bedeutung ist enorm: Fresken von drei großen Florentiner Künstlern schmücken flächendeckend die Wände: Masolino und Masaccio arbeiteten ihr in den 1420er Jahren. Filippino Lippi vollendete das Werk in den 1480er Jahren. Die unterschiedlichen Stile der drei, aber auch die Neuartigkeit, die v.a. Masaccio in die florentinische Freskenmalerei brachte, machen die Brancacci Kapelle zu einem Hauptwerk der Früh-Renaissance und gaben ihr den schmeichelhaften Beinamen „Sixtinische Kapelle der Früh-Renaissance“, den man manchmal liest.
Ich persönlich fühlte mich an die Scrovegni-Kapelle in Padua mit den großartigen Giotto-Fresken erinnert. Unter anderem auch deshalb, weil Masaccio, wie Giotto, die Verzweiflung in den Gesichtern der Personen in einer für die damalige Zeit revolutionäre Weise darstellt. Es ist wohl kein Zufall, dass in der Literatur Masaccio auch als „Giottos Erbe“ und „Würdiger Nachfahre Giottos“ bezeichnet wird. [Heussler, S. 73 und 83]

Zwischen 1746 und 1748 – also noch vor dem Brand in Santa Maria del Carmine – hatte es in der Kapelle Modernisierungsmaßnahmen gegeben, bei denen die jetzige Kuppel eingezogen wurde mit dem Gemälde der Gottesmutter, die dem Heiligen Simon Stock – einem der Gründer des Karmelitenordens – das Skapulier überreicht. Diesen Modernisierungsmaßnahmen fielen leider einige Fresken Masolinos zum Opfer.

Das barocke Deckenfresko, mit dem man die Kapelle im 18. Jahrhundert modernisiert hat.

Die Auftraggeber: Die Familie Brancacci

Die Brancacci Kapelle ist nach der gleichnamigen florentiner Familie benannt, deren „Familienkapelle“ sie war. 1367 war die Kapelle aufgrund einer testamentarischen Verfügung von Piero di Piuvichese Brancacci errichtet worden. Derjenige, der ihr aber am meisten den Stempel aufdrückte und auch Masolino und Masaccio für die Ausgestaltung der Kapelle gewann, war der 1382 in Florenz geborene Felice Brancacci. Er brachte es als Seidenhändler zu Geld und wurde auch politisch einer der einflussreichen Bürger der Stadt. 1422 reiste er in diplomatischer Mission für die Stadt Florenz nach Ägypten – eine Reise, die für ihn auch finanziell erfolgreich war.
Nachdem er zurückgekehrt war, widmete er sich der Ausstattung der Familienkapelle der Brancacci in Santa Maria del Carmine.

Dummerweise war Felice Brancacci mit einer Strozzi verheiratet – damit war er Schwiegersohn eines der größten Widersachers der Medici. Nachdem diese aus dem Exil zurückkamen und die Macht in Florenz endgültig übernahmen, ging es auch Brancacci als Parteigänger der Strozzi an den Kragen. Er wurde erst gefangen genommen und schließlich verbannt. Er starb im Exil, wobei sein genaues Todesdatum offenbar nicht bekannt ist. Bei Paolucci, S. 260, wird das Jahr 1447 genannt. Bei der englischen und italienischen Wikipedia zum Beispiel ist kein genaues Sterbejahr angegeben.

Als die Familie Brancacci in den 1470er Jahren nach Florenz zurückkehrte, wurde auch die Fertigstellung der Ausmalung, die unvollendet geblieben war, vorangetrieben. Filippino Lippi wurde dafür engagiert, der den von Masolino und Masaccio begonnenen Freskenzyklus über das Leben des Heiligen Petrus fertigstellte.

Die Künstler der Brancacci-Kapelle: Masolino, Masaccio und Filippino Lippi

Masolino und Masaccio

Der Maler, den wir heute als Masolino kennen (1383-1440/47), hieß in Wirklichkeit Tommaso di Cristoforo Fini. Masolino bedeutete soviel wie „kleiner Thomas“. Er stammte aus Panicale, unweit von Perugia, und bevor er Ende 1424 mit den Arbeiten in der Brancacci-Kapelle begann, war er bereits im unweit von Florenz gelegenen Empoli tätig. Masolino arbeitete nicht sehr lange in der Cappella Brancacci in Florenz, denn bereits 1425 reiste er nach Ungarn, wo er bis etwa 1427 blieb, dann ist er wieder in Italien nachweisbar – ab 1428 in Rom, wo er wieder mit Masaccio zusammenarbeitete. Über Masolinos Tätigkeit in Ungarn ist so gut wie nichts bekannt.

Masaccio portraitierte in einer Ecke der Brancacci Kapelle nicht nur sich selbst (den Betrachter ansehend), sondern auch Masolino (klein, hinter Masaccio), Filippo Brunelleschi (rechts) und Leon Battista Alberti (zentral, im Profil)

Wie Masolinos Zusammenarbeit mit dem fast 20 Jahre jüngeren Masaccio (geboren als Tommaso di Ser Giovanni aus San Giovanni Valdarno – sein Spitzname bedeutet „grober / großer Thomas“) ablief und wann sie begann wird seit jeher diskutiert. Lange ging man davon aus, dass Masolino der Lehrer Masaccios gewesen sei. Heute glaubt man eher an eine professionelle, kollegiale Zusammenarbeit. Möglich ist es allerdings auch, dass Masolino das große Talent Masaccios erkannte und aus einem Lehrer-Schüler-Verhältnis ein kollegiales Verhältnis wurde. Man weiß jedenfalls, dass sich beide Maler im gleichen Jahr (1424) in die Compagnia di San Luca einschreiben ließen – eine florentiner Gilde, in der alle Maler Mitglied sein mussten. Wahrscheinlich im gleichen Jahr begann die Arbeit an den Fresken der Brancacci-Kapelle.
Nach Masolinos Abreise, arbeitete Masaccio weiter alleine in der Kapelle, malte aber ungefähr zeitgleich auch das berühmte Trinitäts-Fresko in Santa Maria Novella in Florenz und war zudem in Pisa tätig. Ab 1428 war Masaccio in Rom, wo auch Masolino nun tätig war. Beide arbeiteten wieder zusammen, doch Masaccio kam im Sommer 1428 mit noch nicht einmal 30 Jahren unter ungeklärten Umständen ums Leben.

„Wenn wir dieses Fresko [die Vertreibung aus dem Paradies von Masaccio] mit Masolinos Versuchung an der gegenüberliegenden Wand vergleichen, wird uns klar, welchen bedeutsamen Schritt Masaccio mit seiner Darstellung getan hat, auch warum alle Maler der Renaissance nach ihm, vor allem aber Michelangelo und Raffael, von diesem Bild so viel gelernt haben.“

Peterich, S. 558.

Von den beiden offenbar auch befreundeten Kollegen gilt Masaccio als der revolutionärere, der „die neuesten künstlerischen Erkenntnisse der Frührenaissance in der Malerei umsetzte.“ [Heussler, S. 73] Ein Vergleich der Fresken von Masaccio und Masolino in der Brancacci Kapelle macht sogar für Laien recht anschaulich deutlich, wie unterschiedlich die Darstellungsweisen der beiden Künstler waren. Besonders augenfällig wird dies bei den einander gegenüberliegenden Fresken „Sündenfall“ von Masolino und „Vertreibung aus dem Paradies“ von Masaccio. Während Masolinos Adam und Eva – „wesentlich durch den Stil der internationalen Gotik geprägt“ [Zimmermanns, S. 205] – wenig Emotionen zeigen, leichtfüßig und wenig standhaft neben dem Baum der Erkenntnis stehen und allgemein eher schematisch wirken, so zeigt uns Masaccios Fresko der Vertreibung zwei zutiefst verzweifelte Menschen. Adam verbirgt sein Gesicht in den Händen, Eva reißt den Mund im Jammer weit auf, ihr Gesicht verzerrt. Auch der Schatten, den die beiden werfen ist für die damalige Zeit außergewöhnlich: „Zum ersten Mal sind die Figuren von einer genau lokalisierbaren Lichtquelle erfasst.“ [Zimmermanns, S. 206]

Auch Masaccios „Taufe des Neubekehrten“ gilt als herausragend: Die natürliche Haltung dessen, der im Hintergrund steht und ganz offensichtlich zittert, zeigt einen deutlichen Kontrast zu den eher schematischen Darstellungen von Masolino auf der anderen Seite des Fensters.

Brancacci Kapelle: Predigt des Heiligen Petrus von Masolino

Brancacci Kapelle: Predigt des Heiligen Petrus von Masolino

Filippino Lippi

Filippino Lippi oblag es, die Fresken-Ausstattung der Kapelle 60 Jahre nach dem Beginn der Arbeiten zu vollenden. Der 1457 in Prato geborene, lernte zuerst in der Malerwerkstatt seines Vaters Filippo Lippi. Später dann auch bei Sandro Botticelli, der ebenfalls ein Schüler von Filippo Lippi gewesen war.
Lippi war vor allem in Florenz tätig, da sein großer Förderer Lorenzo il Magnifico de‘ Medici war. Er arbeitete aber auch in Santa Maria sopra Minerva in Rom. Filippino Lippi starb 1501 als reicher Mann in Florenz und hinterließ seiner Familie ein großes Vermögen. 

Selbstbildnis des Filippino Lippi in der Capella Brancacci, Florenz

Selbstbildnis des Filippino Lippi in der Capella Brancacci, Florenz

Bei seiner Arbeit in der Brancacci Kapelle orientierte sich Filippino Lippi am bereits ausgearbeiteten Bildprogramm und vervollständigte auch einige bereits von Masaccio angelegte Fresken. Dabei orientierte er sich auch am Stil Masaccios. „Filippino gelang es so überzeugend, kompositorische und maltechnische Brüche zu vermeiden, dass die Forschung des 18. und 19. Jahrhunderts sogar meinte, Masaccio sei für einen weit größeren Anteil verantwortlich gewesen, als dies tatsächlich der Fall war.“ [Paolucci, S. 256]

Aber doch sticht eine Sache besonders heraus – und diese war es auch, die mich persönlich am meisten bei meinem Besuch auf den Gerüsten in der Brancacci-Kapelle fesselte: Die Gesichter, die Lippi schuf, sind von unglaublicher Lebensechtheit! Jeder Kopf individuell und einzigartig, die Mimik so realistisch. Vom schönen Jüngling über den altehrwürdigen Patrizier bis zum Mann mit Doppelkinn. Es überrascht nicht, zu lesen, dass viele dieser Köpfe Portraits von berühmten Zeitgenossen aus Kunst und Politik sind.

Die Fresken der Brancacci-Kapelle

Die Cappella di Brancacci hat drei Wände, die wiederum in der Höhe gedrittelt sind. Die Bilder des oberen Drittels sind verloren gegangen im Zuge der Umgestaltungen des 18. Jahrhunderts.
Im mittleren Drittel stammen die Bilder von Masolino und Masaccio.
Im unteren Drittel hatte Masaccio schon einige Werke vollendet und eines begonnen. Filippino Lippi stellte es fertig.  Die Fresken im unteren Drittel der rechten Wand stammen vollständig von Filippino Lippi.

Ich werde hier nicht auf jedes einzelne Detail der Fresken eingehen und auch nicht jedes Fresko genau beschreiben – darüber könnte man ein Buch schreiben. Ich erzähle hier vor allem von dem, was mich an den Fresken am meisten beeindruckte, was mir ins Auge sprang und was mich besonders faszinierte.

Schema der Fresken der Brancacci-Kapelle. Ml = Masolino. Mc = Masaccio. F = Filippino Lippi. Quelle: Wikicommons (gemeinfrei)

Auf die beiden Darstellungen von Adam und Eva durch Masolino (rechts – Sündenfall) und Masaccio (links – Vertreibung) bin ich bereits weiter oben eingegangen. Es war für mich besonders beeindruckend, die berühmte Vertreibung Masaccios auf den Gerüsten stehend aus nächster Nähe zu sehen. Hier, wie auch bei anderen Fresken der Kapelle, werden die Grenzen des Tagewerks sehr deutlich: Ganz klar sieht man die Umrisse, wo die Maler ihre Arbeit unterbrechen und am nächsten Tag wieder aufnehmen mussten.

Das berühmteste Fresko aus der Brancacci-Kapelle: Die Vertreibung aus dem Paradies von Masaccio

Das Besondere an den großen Fresken der Seitenwände ist, dass auf den einzelnen Bildern mehrere Szenen in einem Bild dargestellt sind. Berühmt ist das große Fresko von Masaccio, das die Geschichte des Tempelsteuer zeigt. Hier werden mehrere Situationen der Geschichte in einem Bild erzählt, wobei die Geschichte nicht von links nach rechts (oder andersherum) gelesen werden kann: In der Bildmitte verlangt der Steuereintreiber die Tempelsteuer. Christus weist daraufhin Petrus an, einen Fisch zu fangen, in dessen Maul er das nötige Geld finden werde. Christus Arm weist, ebenso wie der Arm des Petrus, nach rechts (links für den Betrachter). Dort im Hintergrund sieht man Petrus, der seine Tunika abgelegt hat und soeben den Fisch gefangen hat. Am rechten Bildrand zahlt Petrus dann die Tempelsteuer.

Das gegenüberliegende Gemälde zeigt zwei Geschichten, die nichts miteinander zu tun haben, direkt nebeneinander. Links die Heilung des Gelähmten, rechts die Erweckung der Tabitha. Es gilt gemeinhin als Gemeinschaftswerk von Masolino und Masaccio, wobei Masolino die Figuren im Vordergrund zugeschrieben werden und von Masaccio die Gestaltung des Hintergrunds sein soll. Paolucci, S. 260, verweist darauf, dass Untersuchungen zufolge das ganze Bild „in nur einem einzigen Tagwerk ausgeführt wurde (…) und dass der Hintergrund (…) von der gleichen Hand stammt wie die zahlreichen Vordergrundfiguren.“
Faszinierend zu sehen ist jedenfalls der Detailreichtum des Hintergrundes.  Im Hintergrund sieht man eine Stadtlandschaft, die nicht zufällig an das Florenz des 14. Jahrhunderts erinnert. Die Fenster der Häuser sind offen, Decken hängen zum Lüften in den Fenstern. Menschen lehnen sich heraus, sogar ein paar Äffchen sieht man, die – angeleint – an den Fenstern herumklettern. . Normalerweise könnte man, am Boden stehend, die vielen Details gar nicht wahrnehmen – erst weil ich die Gelegenheit hatte, die Fresken aus der Nähe zu sehen, konnte ich es genauer erkennen.
Im Vordergrund – gleich ins Auge springend – zwei auffallend kostbar gekleidete Edelmänner. Wohl ein Hinweis auf den Auftraggeber: den Seidenhändler Felice Brancacci.

Im unteren Drittel auf der linken Seite sehen wir wiederum zwei Szenen, die hier allerdings einen erzählerischen Zusammenhang haben: die Auferweckung des toten Sohnes des Theophilus und Petrus Cathedra. Das Werk wurde noch von Masaccio begonnen, Filippino Lippi stellte es fertig. Dabei ist allerdings nicht ganz geklärt, ob Masaccio das Werk nicht hatte vollenden können vor seiner Abreise nach Rom oder ob nicht vielmehr Teile zerstört worden waren. Es wäre möglich, dass hier Anhänger der Brancacci und/oder Strozzi dargestellt waren und dass deren Portraits nach der Vertreibung der Familien durch die Medici vernichtet wurden. [Paolucci, S. 260] Man weiß jedenfalls, dass die fünf links stehenden Personen (zu denen es nur vier Paar Füße gibt!) von Lippi stammen, ebenso wie die zentrale Gruppe um den nackten Jüngling, der soeben wieder zum Leben erweckt wurde (die Figuren rechts vom grün Gekleideten). Die Darstellung von Petrus auf der Cathedra (die er zum Lohn für die Erweckung des Toten erhielt) stammt noch vollständig von Masaccio. Er hat sich hier selbst dargestellt, zusammen mit anderen Künstlerkollegen.

Das gegenüberliegende Fresko stammt vollständig von Filippino Lippi. Es zeigt rechts Petrus im Streitgespräch mit  Simon Magus (der als erster Häretiker der Kirchengeschichte gilt) vor Kaiser Nero. Hinter Nero wendet sich ein dunkelgelockter junger Mann dem Betrachter zu: Hier hat sich Lippi selbst verewigt.
In der linken Bildhälfte wird die Kreuzigung Petri dargestellt – er wird auf seinen Wunsch kopfüber gekreuzigt, damit er nicht genauso stürbe wie Christus. Auch hier blickt uns wieder ein dunkelgelockter, junger Mann an. Womöglich erneut ein Selbstbildnis Lippis. Allerdings gibt es dafür wohl keine konkreten Beweise, während es für das Bildnis hinter Nero nachgewiesen ist, dass dies ein Selbstbildnis Lippis ist. Meiner Meinung nach ist die Ähnlichkeit zwischen den beiden aber sehr augenfällig.

An den Pfeilern im unteren Drittel (direkt unter den Darstellungen von Adam und Eva) hat Filippino Lippi zwei weitere Szenen aus dem Leben des Heiligen Petrus gemalt. Links der Heilige Paulus, der Petrus im Gefängnis besucht. Rechts befreit ein Engel Petrus aus dem Gefängnis. Die Darstellung des Engels hat mich schon immer besonders berührt. Schon bei meinem ersten Besuch in der Brancacci-Kapelle vor vielen Jahren konnte ich mich daran nicht sattsehen. Damals habe ich viele schlecht belichtete und verwackelte Fotos davon mitgebracht, nun stand ich auf Augenhöhe mit diesem wunderschönen Fresko. Viele sagen, der Engel sähe gelangweilt aus. Ich finde eher, er sieht aus, als ginge er gerade mit Petrus spazieren und lausche seinen Erzählungen. Sie unterhalten sich angeregt, aber wohl nicht gerade über besonders tiefsinnige Dinge. Doch der Engel scheint mir ganz Ohr zu sein. Auf jeden Fall fehlt dem Bild jegliche Dramatik, die man bei einer heimlichen Flucht aus einem Kerker erwarten würde. Es wirkt alles sehr entspannt.

Brancacci Kapelle Paulus besucht Petrus Filippino Lippi

Brancacci Kapelle Tickets und Öffnungszeiten

Die Öffnungszeiten der Brancacci Kapelle in Florenz:

Mit Führung auf italienisch:

Freitag bis Montag: 10-17 Uhr
Dienstag bis Donnerstag geschlossen

Englische Führung montags und mittwochs. (Mehr Infos und Möglichkeiten zur Buchung auf der unten verlinkten Webseite)

Derzeit (Frühjahr 2023) werden in der Brancacci-Kapelle umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Alle Besucher haben die Möglichkeit, die Gerüste zu besteigen und die Fresken aus nächster Nähe zu bestaunen. Allerdings sind die Besucherzahlen deshalb auch stark limitiert und es muss auf jeden Fall ein Ticket für die Brancacci Kapelle reserviert werden. Wie lange die Restaurierungsarbeiten in der Brancacci-Kapelle noch andauern werden und die Möglichkeit für das Besteigen der Gerüste besteht, ist derzeit noch nicht bekannt.

Die Tickets für die Brancacci-Kapelle könnt ihr auf der folgenden Seite buchen:

Muse Firenze – Cappella Brancacci

Achtung! Bucht die Tickets über offizielle Plattformen wie die oben genannte. Susanne, eine meiner Leserinnen, schrieb mir, dass ihre Familie die Tickets über eine andere Plattform gebucht hatten und die Buchung wenige Tage vor dem Besuch storniert wurden. Sie erlaubte mir, ihren Tipp hier an andere Leser weiterzugeben: 

„Zum Glück haben wir nichts unversucht gelassen und sind zu unserem Termin in die Kapelle gegangen. Das Personal war sehr umgänglich und verständnisvoll. Sie haben gar nicht überlegt, sondern sofort gesagt, dass wir eingelassen werden. Unsere Erleichterung und unsere Freude kannst du dir sicher vorstellen. Die Ticket-Plattform hatte einfach nur einen falschen Preis berechnet, das war der Grund für die Stornierung. Das ist doch unglaublich, oder?? (…) Mein Mann hatte die Tickets gebucht und sich nichts dabei gedacht, auf welcher Plattform er das macht. Wir würden nur noch über die offizielle Florenz-Ticket-Plattform buchen. Die du in deinem Blog auch empfiehlst, aber hinterher ist man immer klüger. Wir hatten Glück, aber ob die Mitarbeiter in der Kapelle immer so verständnisvoll sind, vor allem wenn der Andrang im Sommer noch größer wird, ist nicht vorherzusehen.“

Brancacci Kapelle: Detail aus Petrus vor Nero von Filippino Lippi

Brancacci Kapelle: Detail aus Petrus vor Nero von Filippino Lippi

Wo befindet sich die Brancacci Kapelle in Florenz?

📍🗺️ Adresse: Piazza del Carmine Chiesa del Carmine 14, Firenze

Details
Santa Maria del Carmine

Verwendete Quellen:

Heussler, Carla: Florenz und seine Künstler, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008.

Paolucci, Antonio (Hrsg.): Kirchen in Florenz, Hirmer Verlag, München 2003.

Peterich, Eckart: Italien. Ein Führer. Erster Band: Oberitalien, Toskana, Umbrien, Prestel Verlag, München 1958.

Zimmermanns, Klaus: Tosana. Das Hügelland und die historischen Stadtzentren, DuMont Kunstreiseführer, 4. aktualisierte Auflage, Köln 2001.


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