Nur etwa 1.15 Stunden Zugfahrt trennen Neapel und die Ausgrabungsstätte von Paestum. Doch wenn man weiß, wie viele Menschen sich durch die Ruinen von Pompeji drängen, dann hat man das Gefühl, als lägen Welten dazwischen. In Paestum kann man Antike nämlich wirklich in Ruhe bewundern. Und dabei gibt es hier einiges zu sehen:
Die Tempel von Paestum gehören zu den besterhaltenen griechischen Tempel in ganz Süditalien. Erst im 18. Jahrhundert wurden sie wieder entdeckt – bis dahin war selbst die Lage der antiken Stadt unbekannt gewesen. Und diesem Umstand ist es zu verdanken, dass wir sie heute in dieser Pracht bewundern können.
Inhalt
Magna Graecia – Die Griechen in Italien
Was haben griechische Tempel eigentlich in Italien zu suchen? Wer sich häufiger in Süditalien aufhält, der weiß, dass dies kein Einzelfall ist. Städte wie Tarent in Apulien (griech. Taras) aber auch Neapel („Neapolis“ auf griechisch) gehen auf griechische Gründungen zurück. Überall finden sich noch Zeugen dieser griechischen Vergangenheit. Während in Tarent heute nur zwei Säulen davon kündigen, ist das Valle dei Templi – das Tal der Tempel – auf Sizilien berühmt für seine hervorragend bewahrten griechischen Kultstätten.
Entlang der Küste Süditaliens siedelten sich ab dem 8. Jahrhundert vor Christus griechische Siedler an. Diese antiken Siedlungsräume nennt man „Magna Graecia“ (im Deutschen auch „Großgriechenland“) und es umfasst Gebiete in Apulien, Basilikata, Kalabrien, Kampanien und auf Sizilien.
Diese Regionen waren niemals vollständig griechisch besiedelt sondern es lebten immer verschiedene Kulturen hier zusammen – dennoch hatte die griechische Kultur sehr starken Einfluss. Zum Beispiel lassen sich sehr enge Handelsbeziehungen mit und auch kulturelle Einflüsse auf die Etrusker in Mittelitalien nachweisen.
Im Zeitraum zwischen 800 und 600 v. Chr. fand das statt, was man in der Forschung die „Große Kolonisation“ nennt: zunehmend bildeten sich griechische Siedlungen entlang der Küsten des Mittelmeeres.
Als ein Hauptgrund wird dabei eine Bevölkerungszunahme in Griechenland angesehen, die in den griechischen Poleis zu Raumnot führte. Händler brachten Kunde von geeigneten Siedlungsplätzen mit zurück in ihre Heimat und die Polis organisierte eine Stadtgründung. Mitunter lag der Grund für den Aufbruch und die Gründung einer neuen Siedlung wohl auch in Unruhen in der Heimatpolis.
Bevor die Heimatpolis – die Metropolis – einen neuen Stadtgründer (Oikistes) aussandte, wurde – so nimmt man an – für gewöhnlich zuerst das Orakel des Gottes Apoll in Delphi befragt. Der Oikistes oder Ktistes war normalerweise ein Adliger, der die Organisation der Neugründung übernahm und das Kommando über die Siedler hatte. Nicht selten wurde dieser Ktistes später in der Stadt kultisch verehrt – und nicht wenige Städte führten ihre Gründung legendenhaft auf einen Heros als Ktistes zurück.
Auch wurde zum Beispiel der Kriegsflüchtling aus Troja und Sohn der Aphrodite, Aeneas, zum sagenhaften Gründervater der Römer, nachdem auch ihm ein Orakel des Apollon den Weg gewiesen hatte (in diesem Fall war es das Orakel auf der Insel Delos).
Paestum: Das antike Poseidonia
In der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. landeten griechische Siedler aus Sybaris, an der Südküste Italiens gelegen, im Gebiet des heutigen Paestum. Natürlich war die fruchtbare Gegend bereits zuvor besiedelt. Die frühesten Siedlungsspuren stammen aus dem Paläolithikum.
Berühmt wurde die Gaudo-Kultur, benannt nach der Nekropole von Spina-Gaudo, die 1943 nur wenige Kilometer von den Tempeln von Paestum entfernt entdeckt wurde. Datiert wird diese Gaudo-Kultur auf ca. 3000 v. Chr.
Obwohl die griechische Siedlung selbst nicht direkt am Meer lag, also nicht als Hafenstadt gegründet wurde, benannte man sie nach dem Gott des Meeres und gab ihr den Namen Poseidonia.
Als die Lukaner um etwa 400 v. Chr. die Stadt eroberten, benannten sie sie in Paistos um. Die Römer, die die Stadt um 274/73 v. Chr. einnahmen, gaben ihr schließlich den Namen Paestum. Sie veränderten das Bild der Stadt und gaben ihr eine typisch römische Prägung mit Forum, Amphitheater und Bädern. Die drei großen dorischen Tempel ließen sie allerdings unangetastet.
Im Laufe der Jahrhunderte schwand die Bedeutung der Stadt Paestum und um 500 n. Chr. versandete und versumpfte die Gegend zunehmend. Die Malaria breitete sich aus und vertrieb die Bewohner. Zuerst zogen sie sich auf den höher gelegenen Teil der Stadt zurück: vom großen Paestum blieb ein kleines Dorf um den sogenannten „Cerestempel“, der auch als christliche Kirche genutzt wurde. Den Rest gaben der einstmals prosperierenden Siedlung schließlich die Sarazenen-Einfälle des 9. Jahrhunderts.
Die Ausgrabungsstätte in Paestum, Italien – Scavi di Paestum
Nachdem die Gegend um Paestum im frühen Mittelalter verlassen worden war, verwilderte die gesamte Gegend. Und damit verlor sich auch jede Erinnerung an die Gebäude, die hier noch immer standen.
Die Wiederentdeckung der großartigen Tempel von Paestum fiel in die Zeit, in der auch Herculaneum und Pompeji entdeckt wurden.
Ab 1738 wurde systematisch in Herculaneum gegraben, ab 1748 auch in Pompeji. Und 1752 entdeckte man schließlich Paestum. Neapel war damals in seiner Blüte und festes Ziel der „Grand Tour“, der Bildungsreise des europäischen Adels. Kein Wunder, dass auch die drei antiken Ausgrabungsstätten zu einem Fixpunkt auf diesen Bildungsfahrten wurden.
Trotzdem hatte man noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Idee, eine Straße direkt an den Tempel vorbeiführen zu lassen – denn so konnte man die Anlagen direkt aus den Wägen heraus bestaunen. Die Straße ist heute zum Glück keine wichtige Verkehrsverbindung, aber sie führte dazu, dass das Amphitheater regelrecht halbiert wurde.
Der Archäologische Park von Paestum umfasst also nur einen Teil der einstmals größeren antiken Stadt, wie es ja auch in Ercolano und Pompei der Fall ist. Aber dieser kleine Teil alleine ist schon sehr ansehnlich und weitläufig und man kann hier gut einen ganzen Tag verbringen.
Denkt daran, dass die Ausgrabungsstätte in Paestum durchgängig sonnig ist. Ihr solltet auf jeden Fall eine Kopfbeckung und Sonnencreme dabei haben. Auch eine Flasche mit Wasser und eine Kleinigkeit zu essen schaden nicht! Auf dem Ausgrabungsgelände selbst gibt es nichts zu kaufen, wenn auch im angrenzenden Ort, der natürlich auf die Bedürfnisse der Touristen eingestellt ist.
Die Tempel von Paestum – UNESCO Weltkulturerbe
Heute betritt man das Ausgrabungsgelände im Osten durch die Porta Giustizia, eines der ehemaligen Stadttore. Die Stadt ist umschlossen von der damaligen Stadtmauer, die fast 5 km lang ist.
Der Via Sacra folgend kommen wir dann zu den ersten Highlights, denn Paestum ist seit seiner Entdeckung im 18. Jahrhundert v.a. für die drei hervorragend erhaltenen dorischen Tempel berühmt.
(Grundrisse der drei Tempel findet man hier)
Der Hera-Tempel
Der erste, auf den wir stoßen, ist auch der älteste der drei Tempel: der Hera-Tempel.
Dieser Tempel wurde um 550 v. Chr. errichtet und lange dachte man, es handle sich dabei um eine römische Basilika – weshalb der Tempel noch heute häufig als „Basilika“ bezeichnet wird. Man vermutet heute aber, dass er Hera, der Gattin des Zeus, und der Hauptgottheit der Polis geweiht war.
Der Tempel hat die Maße 54×25 m und hat an der Längsseite 18 Säulen. An der Vorder- und Hinterseite hat er je 9 Säulen.
Wie es damals üblich war, befand sich der Altar des Tempels nicht im Inneren, sondern vor dem Tempel. Hier konnten die Gläubigen Opfer bringen. Der heiligste Bereich war im Inneren, in der sogenannten Cella, wo die jeweilige Gottheit als Statue repräsentiert wurde.
Die Cella des Hera-Tempels von Paestum war zweigeteilt, weshalb man annimmt, dass zumindest für einige Zeit auch Zeus in den Kult miteinbezogen war.
Der Poseidon-Tempel
Gleich neben dem Hera-Tempel liegt der größte der drei Tempel von Paestum: Er wurde um 450 v. Chr. erbaut und wird gemeinhin als „Poseidon-Tempel“ bezeichnet. Diese Zuschreibung kommt aus der Zeit der Entdeckung der Ruinen, denn man glaubte, der größte Tempel müsse dem Namensgeber der griechischen Stadt geweiht gewesen sein.
Archäologische Funde weisen allerdings daraufhin, dass der Tempel entweder der Hera oder dem Zeug geweiht gewesen sein dürfte. Eine Theorie vermutet auch eine Zuschreibung zu Apoll. Wahrscheinlich wurden auch hier mehrere Götter verehrt und es ist durchaus möglich, dass auch Poseidon in den Kult eingeschlossen war.
Aber auch wenn man nicht weiß, welcher Gott hier verehrt wurde, ist das Bauwerk unglaublich beeindruckend. Mit 64×24 m hat er wirklich stattliche Ausmaße. Die Cella war durch zwei Säulenreihen in mehrere Schiffe aufgeteilt, was sich heute noch gut erkennen lässt.
Der Athene-Tempel
Häufig liest man für diesen Tempel auch den Namen „Ceres-Tempel“, denn man glaubte, früher, er sei der Ceres (Demeter) geweiht gewesen. Funde weisen allerdings darauf hin, dass hier die Göttin Athene verehrt wurde. Er ist deshalb der einzige der drei Tempel, bei dem man mit sehr großer Sicherheit weiß, welcher Gottheit hier gehuldigt wurde.
Mit einer Größe von 33×15 m ist er der kleinste der erhaltenen Tempel des antiken Poseidonia. Er steht allerdings auf der höchsten Erhebung der Stadt, weshalb sich die Bewohner Paestums hierhin zurückzogen. Um diesen Tempel herum, war zum Schluss noch eine kleine Siedlung und der Tempel wurde als christliche Kirche genutzt.
Erbaut wurde der Tempel um 500 v. Chr. Er war damit wohl der Tempel, der am längsten kultisch genutzt wurde, wenn auch der Kult sich zwischenzeitlich änderte.
Paestum, Italien – Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Anfahrt
Es ist ein unglaubliches Phänomen, dass die Scharen der Touristen sich in Pompeji drängen und dort gegenseitig auf die Füße steigen, während der kulturinteressierte Besucher mehr als eine Möglichkeit hat, um antike Ausgrabungen in Ruhe zu bestaunen. Paestum gehört eindeutig zu den Orten, die man – zumindest in der Nebensaison, ich war im September dort – für sich hat.
Anfahrt
Dafür darf man die Anfahrt nicht scheuen, denn Paestum liegt nicht direkt bei Neapel, sondern etwa 100 km südlich. Sowohl mit dem Auto als auch mit dem Zug braucht man etwas mehr als eine Stunde. Der Bahnhof, an dem die Regionalzüge aus Napoli halten, ist etwa 650 m vom Ausgrabungsgelände entfernt.
Öffnungszeiten
Der Archäologische Park von Paestum ist täglich von 10 bis 19:30 Uhr geöffnet. Der letzte Einlass ist um 18:50 Uhr.
Eintrittspreis
Von Dezember bis Februar:
- 6 € regulärer Eintritt
- 2 € ermäßigter Eintritt (zwischen 18 und 25 Jahren)
- 10 € Familienticket (2 Erwachsene und ein oder mehrere Kinder bis 25 Jahren)
von März bis November:
- 12 € regulärer Eintritt
- 2 € ermäßigter Eintritt (zwischen 18 und 25 Jahren)
- 20 € Familienticket (2 Erwachsene und ein oder mehrere Kinder bis 25 Jahren)
Das Ticket ist drei Tage gültig und inkludiert auch den Eintritt ins Museum sowie die Ausgrabungen von Velia, die sich weiter südlich in der Nähe von Marina di Ascea befinden.
Aktuelle und weiterführende Informationen auf der offiziellen Webseite. Informiert euch hier auch immer über etwaige Änderungen.
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Vielen Dank für den Beitrag. Deine Bilder machen wirklich Lust auf einen Besuch. Wir werden in Zukunft sicher öfter mal Urlaub in Italien machen. Die Tempel von Paestum stehen jetzt auf meiner Liste!
Schöne Grüße aus Nizza
Feli